Die HR-Abteilungen des deutschen Mittelstands üben sich in Sachen Digitalisierung in vornehmer Zurückhaltung: Einer Umfrage von Personio und Bitkom zufolge haben über 90 Prozent der Unternehmen mit bis zu 200 Mitarbeitern kaum digitale HR-Prozesse; in Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern sind es 70 Prozent.
Geplante Digitalisierungsprojekte wurden in den vergangenen Monaten weiter verschoben. In Zeiten von Entlassungen, Kurzarbeit und weiteren Einschnitten lassen sich solche scheinbar teuren Vorhaben schlecht durchsetzen. Sparen ist angesagt. Tatsächlich ist das jedoch ein schlechtes Geschäft. Digitalisierung kostet. Doch abwarten und nichts tun kostet viel mehr.
Kostentreiber in der HR
Durch ineffiziente Prozesse, falsche Entscheidungen und schlechte Planung verschwenden Unternehmen viel Geld. In der genannten Studie sagten die befragten Personaler, dass sie rund dreieinhalb Stunden pro Tag mit Verwaltungsaufgaben verbrachten. Die Personalkosten dafür lassen sich leicht aufs Jahr und auf die gesamte Personalabteilung hochrechnen.
Laut der Studie „Human Resources 4.0: Der unterschätzte Effizienzturbo“ von Bain erhöhen digitale Prozesse die Effizienz des Personalwesens um 20 bis 30 Prozent. Darauf verzichten Unternehmen, die die Digitalisierung aufschieben.
Potenziale bleiben ungenutzt
Für den Digitalisierungsindex Mittelstand 2019/2020 wurden über 2.000 kleine und mittelständische Unternehmen befragt, die sich in der digitalen Transformation befinden. Jeweils 40 bis 50 Prozent berichteten, dass sich Umsatz, Absatz, Betriebsergebnis und Kundenzufriedenheit verbessert hätten.
Unternehmen, die nicht digitalisieren, lassen diese Potenziale ungenutzt: Sie machen weniger Umsatz, wachsen langsamer, sind weniger innovativ. Sie fallen hinter ihre Wettbewerber zurück und haben im Wettbewerb um Kunden und Mitarbeiter das Nachsehen.
Fünf konkrete Beispiele verdeutlichen, welche Kosten das digitale Nichtstun für Arbeitgeber hat:
- Langsame Personalplanung
Ohne eine valide aktuelle Datenbasis werden Entscheidungen aus dem Bauch heraus getroffen, gute Personalplanung bleibt dem Zufall überlassen. Zum Beispiel braucht ein Unternehmen mehr Mitarbeiter mit bestimmten Qualifikationen, um einen großen Auftrag anzunehmen.
Kalkuliert HR den Personalbedarf falsch und beginnt nicht früh genug mit dem Recruiting, fehlen diese Mitarbeiter. Oder wichtige Mitarbeiter sind zur betreffenden Zeit im Urlaub oder bereits mit anderen Projekten ausgelastet. Der Auftrag kann deshalb nicht angenommen werden, wird verspätet ausgeliefert oder scheitert ganz, im schlimmsten Fall wird sogar eine Vertragsstrafe fällig.
- Mangelnder Datenschutz
Mit sensiblen Personaldaten muss sorgfältig umgegangen werden – aufgrund der gesetzlichen Vorschriften und aus Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Bestimmte Daten müssen nach einer Frist gelöscht werden. Sind diese nicht zentral, sondern auf verschiedenen Computern gespeichert, können sie leicht übersehen werden. Oder Daten werden gestohlen, weil sie nicht ausreichend geschützt wurden.
Bei Verstößen gegen Datenschutzregelungen greift der Gesetzgeber mittlerweile hart durch und verhängt Strafen bis zu einer Höhe von 4 Prozent des Unternehmensumsatzes oder 20 Millionen Euro. Der Vertrauensverlust bei Mitarbeitern, Geschäftspartnern und Kunden dürfte noch schwerer wiegen.
- Unbesetzte Stellen
Ja, es kostet Geld, eine Stelle zu besetzen. Jedoch sind offene Stellen ganz und gar nicht kostenlos. Je länger sie nicht besetzt werden, desto teurer wird es.
Ist HR mit Verwaltungsaufgaben überlastet, fehlt es oft an ausreichenden Kapazitäten für das Recruiting sowie an einem nachhaltigen Konzept, wie Talente gewonnen werden können. Bewerber müssen mittels teureren, weniger effizienten Methoden rekrutiert werden.
Arbeit bleibt liegen, Projekte müssen abgelehnt werden oder stocken, weil Positionen an wichtigen Stellen unbesetzt sind. Dadurch sinken die Umsätze, und Kunden sind unzufrieden.
- Hohe Fluktuation
Reisende soll man nicht aufhalten, heißt es in einem Sprichwort. Das trifft manchmal zu, viele Gründe für Fluktuation sind jedoch vermeidbar. Die häufigsten davon sind Unzufriedenheit mit dem Vorgesetzten, zu wenig Gehalt oder mangelnde Karriereperspektiven. Da Maßnahmen zur Mitarbeiterbindung langfristig wirken, scheinen sie verzichtbar und fallen Sparmaßnahmen leicht zum Opfer.
Laut der Unternehmensberatung Deloitte kostet jeder ausscheidende Mitarbeiter seinen Arbeitgeber über 40.000 Euro. HR muss die Stelle nicht nur neu besetzen und den neuen Mitarbeiter einlernen, sondern auch Erfahrung und Fachwissen gehen verloren. Wenn wichtige Mitarbeiter kündigen, hinterlassen sie ein Lücke, und das ganze Team und das Unternehmen leiden.
- Niedrige Produktivität der Mitarbeiter
Mitarbeiter, die schlecht eingearbeitet werden oder denen es an der nötigen Ausstattung fehlt, können nicht produktiv arbeiten. Genauso drücken schlechte Führung und eingestaubte Unternehmensstrukturen auf die Stimmung. Die Folge: Mitarbeiter kündigen innerlich, sind unmotiviert und weniger produktiv.
Auch Themen wie Work-Life-Balance und Gesundheitsvorsorge sind keine netten Extras für Millennials, sondern wirken sich unmittelbar auf die Produktivität der Mitarbeiter und damit auf den Erfolg des Unternehmens aus.
Fazit: Personalprozesse digitalisieren
Das verdeutlicht: Die digitale Transformation ist Aufgabe des gesamten Unternehmens. Die genannten Herausforderungen können nicht allein in und durch die Personalabteilung gelöst werden. Digitalisierung sollte jedoch bei HR beginnen. Warum? Aus zwei Gründen:
Erstens: In den meisten Unternehmen machen die Personalkosten den größten Anteil an den Gesamtkosten aus: teilweise 80 Prozent und mehr. Kleine Verbesserungen können große Einsparungen bringen. Die freigewordenen Budgets können für weitere Digitalisierungsprojekte und bessere HR-Arbeit eingesetzt werden.
Zweitens: Motivierte sowie qualifizierte Mitarbeiter sind der Schlüssel für die digitale Transformation. Wenn die HR-Abteilung aufwendige manuelle Verwaltungsprozesse automatisiert, schafft sie sich Raum für ihre Kernaufgaben: Mitarbeiter finden, binden und ein Umfeld fördern, in dem Mitarbeiter ihr volles Potenzial entfalten können. Eine ganzheitliche HR-Software einzuführen kann der erste Schritt sein.
Doch wie kann HR die Geschäftsführung überzeugen? HR sollte in einem Business-Case konkret vorrechnen, welche immensen Effekte ein digitalisierter HR-Bereich bringen würde – und was es kostet, weiterhin nichts zu tun.