Mit dem absehbaren Ausstieg der Babyboomer aus dem Job und deren Eintritt in den Ruhestand werden zahlreiche Führungspositionen in Unternehmen der westlichen Wirtschaftsnationen vakant und suchen Nachfolger. Top-Talente aus der Gruppe der Millennials sollen in die Fußstapfen der heutigen Manager treten, doch sie werden oft noch nicht auf die künftigen Aufgaben vorbereitet. Die US-amerikanische Association of Executive
Search & Leadership Consultants (AESC) hat in einer weltweiten Befragung von über 850 Wirtschaftsführern untersucht, vor welchen organisatorischen Herausforderungen Unternehmen stehen, wenn es darum geht, die nächste Managergeneration an Bord zu holen und zu halten.
Der anstehende Generationswechsel wird sich in einem Arbeitsumfeld vollziehen, das durch permanente Unsicherheit und rasche Veränderungen gekennzeichnet ist. Die Arbeitswelt von morgen wird komplett anders aussehen als die heutige. Digitale Technologien und die digitale Transformation verändern nicht nur die Art, wie Geschäft betrieben wird, sondern auch die Geschäftswelt insgesamt. Künstliche Intelligenz wird zunehmend Routinetätigkeiten ausführen und menschliche Arbeit ersetzen. Die nächste Generation wird in Berufen arbeiten und Funktionen übernehmen, die heute in der Form noch gar nicht existieren.
Wachsen in einem disruptiven Umfeld
Für die heutigen Manager ist mit Blick auf die kommenden Jahre die vielleicht größte Herausforderung, weiterhin geschäftliches Wachstum zu erzielen in einem Umfeld, das durch weitgehende und fortdauernde Disruption innerhalb zahlreicher Branchen gekennzeichnet ist. Deshalb benötigt dieser Wandel einen neuen Managertyp. Der muss imstande sein, ein Marktumfeld und die in ihm wirkenden Faktoren zu erkennen und richtig zu deuten.
Zu den weiteren Kompetenzen der Managergeneration von morgen zählen die Fähigkeiten, Veränderungen zu antizipieren, Chancen und Risiken schnell zu erkennen und Pläne zu entwickeln, um dem Wettbewerb in einem schnellen Marktumfeld immer einen Schritt voraus zu sein.
Gerade darin unterscheiden sich heutige Manager von Digital Natives: Die aktuelle Generation, die in Führungsverantwortung steht, ist mit digitalen Technologien nicht aufgewachsen, sondern hat den Umgang mit ihnen nach und nach gelernt. Anders die Talente, die sich in offeneren Strukturen wohlfühlen. Genau solche Manager mit einem hohen Maß an digitaler Kompetenz braucht es, um den künftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Entsprechend sehen es die heutigen Manager als ihre Kernaufgabe an, bereits jetzt die geeigneten Talente zu identifizieren und vorzubereiten, damit diese in einigen Jahren das Unternehmen führen können. Deshalb steht die Nachfolgeplanung als permanente Aufgabe für die jetzige Führung oben auf der Agenda.
Auch organisatorisch müssen sich Unternehmen für die digitalisierte Wirtschaft neu aufstellen. Flache Hierarchien, sich selbst organisierende Teams, mehr Entscheidungsfreiheit für Mitarbeiter, Projektwirtschaft: Unternehmen brauchen Führungskräfte, die diesen kulturellen und strukturellen Wandel vollziehen können. Deshalb zählen die von der AESC befragten Manager digitale Kompetenz zu den wichtigsten Gründen für die Entwicklung einer Talentstrategie im Führungskräftebereich.
Die heutigen Manager sehen ihre Nachfolgergeneration auch als diejenige an, die die digitale Transformation des Unternehmens durchführen muss. Generell ist Change-Management die wichtigste Kompetenz für künftige Führungskräfte. Nach Aussagen der befragten Manager ist sie sogar noch wichtiger als unternehmerisches Denken. Statt nur eigene Ideen zu realisieren, wird es für die Führungskräfte von morgen entscheidend sein, neue Ideen aufzugreifen und intern umzusetzen, um die Entwicklung und das Wachstum des eigenen Unternehmens voranzubringen. Das erfordert auch vom Management eine größere Bereitschaft zur Kollaboration.
Ein von der AESC interviewter Unternehmensführer brachte das Umdenken auf den Punkt: „Wir müssen die traditionelle Kette der Führung durch Anweisungen durchbrechen und zu einer kollaborativen Führung kommen.“ Diese Werte verkörpern viele Nachwuchsführungskräfte. Ihr Erfahrungsschatz ist stark durch Transparenz, Toleranz, Inklusion und eine Kultur des Teilens gekennzeichnet. Das sollte es Führungskräften der jüngeren Generation dank ihrer emotionalen Intelligenz erleichtern, Beziehungen zu so unterschiedlichen Stakeholdergruppen wie Kunden, Aktionären oder Mitarbeitern zu knüpfen.
Diversity, Inklusion und digitale Technologien sind die Basis für Innovationen
Um diese Talente im Unternehmen zu halten, bedarf es überzeugender und nachhaltiger Entwicklungsmöglichkeiten. Auch gehört die Möglichkeit für Talente dazu, sich offen zu äußern und kontroverse Positionen zu beziehen, die den Weg zu Innovationen eröffnen können. Das erfordert eine Führungskultur, die auf Diversität und Inklusion ausgerichtet ist. Konflikte sind möglich, sollen aber eine konstruktive Wirkung entfalten. Erfolgsentscheidend für eine Unternehmenskultur sind Freiräume für Kreativität und Innovation. Unternehmerisches Denken vieler Millennials zeigt sich in deren Offenheit gegenüber der Start-up-Kultur.
Manche der von der AESC befragten Manager üben Kritik am eigenen Unternehmen und sehen Nachholbedarf. Ein japanischer Entscheider aus dem Technologiesektor wird konkret: „Obwohl wir ein globales Unternehmen sind, sind wir in unserem Heimatmarkt Japan nicht global in unserem Denken und in unserer Innovation.“ Tatsächlich verlangt das neue Geschäftsklima von einer Organisation und deren Mitarbeitern mehr Agilität und Kollaboration statt funktionsbezogener Expertise. Fachwissen und Erfahrung aus der alten Silowelt zählen im Arbeitsleben immer weniger.
Um Talente an die eigene Organisation zu binden, muss ein Unternehmen auch durch seine technische Ausstattung überzeugen. Die verwendeten Technologien und die digitalen Plattformen, die es einsetzt, müssen weltweit verstreute Teams miteinander verbinden, jederzeit Zugriff auf schnelle Performance-Analysen bieten und die interne Effizienz verbessern können.
Fazit
Die wichtigste Erkenntnis der Studienautoren der AESC ist, dass Unternehmen ihre Top-Talente bereits jetzt mit mehr Entscheidungsmacht ausstatten bzw. sie verstärkt in relevante Entscheidungsprozesse einbinden sollten – auch auf das Risiko hin, Rückschläge zu erleiden. Diese Maßnahmen sollten sich mit kontinuierlichem Feedback, Mentoring sowie strukturiertem Coaching flankiert werden. Die Strategie für das Talentmanagement stützt sich auf fünf Kernmaßnahmen. Zunächst sollten Unternehmen konsequent interne und externe Talente sichten. Ein weiterer Baustein ist eine Strategie, um Talente für das Unternehmen zu gewinnen und zu binden. Dabei spielt eine starke Arbeitgebermarke eine Schlüsselrolle. Die Top-Talente sollen strategisch gecoacht werden, um sie auf die Führungsaufgaben von morgen vorzubereiten. Die Maßnahmen sollten von einer Nachfolgeplanung begleitet werden.
Die 10 wichtigsten Maßnahmen, um aus Talenten TopFührungskräfte zu machen
- Top-Talenten mehr Entscheidungsmacht geben
- Nachfolgeplanung, um die nächste Generation in Führungspositionen zu bringen
- Talente in Entscheidungsprozesse einbeziehen
- Interne Talente prüfen und zielgerichtet coachen
- Führung diverser und integrierender gestalten
- Nachwuchsführungskräfte fokussiert entwickeln
- Mentoring durchführen
- Crossfunktionale Entwicklung fördern
- Internationale und interkulturelle Chancen eröffnen
- Karriere beschleunigen
Quelle: AESC – The New Wave: Next Generation Executive Talent.