Wie HR die moderne Arbeit gestalten und zu einer verantwortungsvollen Unternehmensführung beitragen kann, damit hat sich das Projekt „Maßnahmen und Empfehlungen für die gesunde Arbeit von morgen (MEgA)“, durchgeführt von Arbeitsforschern an der Universität Heidelberg, in den vergangenen Jahren beschäftigt. In dem sechsjährigen Projekt wurden in einer ersten Phase (MEgA I) Geschäftsführer und Experten des HR- und Gesundheitsmanagements insbesondere in kleinen und mittelständischen Unternehmen interviewt. Auf Grundlage der Gespräche wurden Bedarfsanalysen erstellt und Maßnahmen und Konzepte entwickelt. Diese stehen auf der Projektplattform als Toolbox für die Alltagsarbeit im Personal-und Gesundheitsmanagement zur Verfügung. Die zweite Projektphase (MEgA II) erweiterte die Befragungen und Bedarfsanalysen für das HR-Management auf Verwaltungstätigkeiten im öffentlichen Dienst.
Aus den beiden Projektphasen ergeben sich vier zentrale Felder, die HR auf dem Weg zu moderner Arbeit gestalten kann und die für eine gelingende Transformation essentiell sind:
Gestaltungsfeld 1: Veränderungen bewirken
Die Ziele dieses Handlungsfelds liegen in der kritischen Reflexion eingefahrener Organisationsstrukturen vor dem Hintergrund dynamischer Umfeldentwicklungen. Routinen müssen hinterfragt und bei der Implementierung orts- und zeitflexibler Arbeitsformen proaktiv behandelt werden. Ebenso muss eine entsprechende Führungskultur etabliert werden, die Veränderungen zulässt und die Gesundheit fördert.
Zu den erforderliche Maßnahmen gehört, Mitarbeiter frühzeitig und transparent über anstehende Veränderungen zu informieren und ihre fachliche Expertise zu nutzen. Zu empfehlen ist ein „transformationaler“ Führungsstil mit folgenden Erfolgsfacetten
- Vorbildfunktion, Glaubwürdigkeit und Vertrauensbildung,
- individuelle Unterstützung und Wertschätzung,
- Motivieren durch begeisternde, aber realistische Visionen,
- Anregen zur kritischen Reflexion und
- Fördern kreativen Denkens.
Des Weiteren sind Maßnahmen für ein gesundheitsförderliches Führungsverhalten sowohl für die eigene Gesundheit als auch für die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu empfehlen.
Gestaltungsfeld 2: HR strategisch ausrichten
Ziel ist, Kompetenzen der Fach- und Führungskräfte aufzubauen und zu fördern, um auf aktuelle Entwicklungen zeitnah und nachhaltig reagieren zu können.
Die Maßnahmen betreffen insbesondere drei Leistungsbereiche:
- Bei der Personalgewinnung und -bindung muss HR die Arbeitgeberattraktivität verbessern, beispielsweise durch Angebote hybrider Arbeit und flexibler Arbeitszeitgestaltung, die die Lebensmodelle junger Nachwuchskräfte und älterer Mitarbeiter berücksichtigen. Erforderlich sind auch Aufstiegs- und Karrieremöglichkeiten für Quereinsteiger.
- Bei der Kompetenzentwicklung sollten nicht nur IT-Kenntnisse gestärkt werden, sondern der Fokus sollte auch darauf liegen, überfachliche Qualifikationen zu vermitteln. Dazu gehören Fähigkeiten zur Selbstregulation und Eigenverantwortung, insbesondere im Hinblick auf die Tätigkeit im Homeoffice. Des Weiteren gilt es die Veränderungs- und Lernbereitschaft der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu fördern.
- Zur Verbesserung des Wissenstransfers und -austauschs sind altersgemischte Teams sinnvoll.
Gestaltungsfeld 3: Gesundheitsmanagement nachhaltig betreiben
Ziel dieses Felds ist es, die betriebliche Gesundheitsförderung strategisch und funktional in die personalpolitische Entscheidungsebene einzubinden. Dabei gilt es, den Präventionsgedanken sichtbar zu machen und Gesundheit in eine verantwortungsvolle Unternehmenskultur aufzunehmen.
Eine zielführende Maßnahme ist, finanzielle und personelle Ressourcen bereitzustellen. Arbeitsrechtlich müssen Belastungsanalysen durchgeführt werden, um psychische und physische Risikopotentiale am Arbeitsplatz – auch am ortsflexiblen – zu beurteilen. Ebenso sind Maßnahmen der gesundheitsförderlichen Arbeitsplatzgestaltung wie der ergonomiegerechten Einrichtung, die beanspruchungsoptimale Gestaltung der digitalen Kommunikation und Maßnahmen zur gesundheitsförderlichen Selbst- und Mitarbeiterführung relevant.
Letzteres beinhaltet die Wertschätzung der eigenen Gesundheit mit entsprechenden Verhaltensweisen (Selbstführung), aber auch die gesundheitliche Vorbildfunktion der Führung gegenüber Beschäftigten (Mitarbeiterführung). Weitere erfolgversprechende Maßnahmen sind die Harmonisierung von Arbeit und Privatleben (Work-Life-Balance).
Gestaltungsfeld 4: Homeoffice produktiv gestalten
Ziel ist, sicheres, produktives und gesundheitsförderliches Arbeiten ortsflexibel zu gewährleisten und Teambildung und Mitarbeiterbindung zu stärken.
Eine Reihe von Maßnahmen ist notwendig, um den Risikopotentialen von Homeoffice wirksam begegnen zu können:
- Bei der IT-Ausstattung sind eine einheitliche und sichere Software, VPN-Zugänge, remotefähige Anwendungen, aber auch die Bereitstellung von Technik wie Laptops erforderlich.
- Die Arbeitsorganisation umfasst Maßnahmen der Auftragsklärung, der Festlegung eines realisierbaren Umfangs der Aufgabenbearbeitung, digitalisierte Arbeitsdokumente oder Kommunikationsregeln.
Bei der Teambildung ist auf kleine, agile Teams mit regulären Teammeetings zu achten. - Führung bei ortsflexiblen Arbeitsformen erfordert vertrauensbildende Maßnahmen, einen transformationalen Führungsstil und Feedback. Es darf keineswegs der Eindruck entstehen, dass die Führungskräfte nicht mehr präsent sind und nur noch indirekt kommunizieren. Für eine erfolgreiche Zusammenarbeit und Mitarbeiterbindung ist der persönliche Austausch zwischen Führungskräften und Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bedeutsam.
- Die Gesundheitsförderung umfasst Maßnahmen zur Stärkung des psychischen Wohlbefindens, zur Stressreduktion oder zur ergonomischen Gestaltung des Heimarbeitsplatzes. Informationen zur gesunden Ernährung sowie Entspannungs- und Bewegungsübungen oder Seminare zur Harmonisierung von Arbeits- und Privatleben sind wichtig.
- Die rechtlichen Voraussetzungen für ortsflexibles Arbeiten beinhalten, Betriebs- und Dienstvereinbarungen zu konzipieren, Voraussetzungen für die Einführung von Homeoffice zu definieren und Aspekte unter anderem des Arbeits-, Gesundheits- und Datenschutzes, zu berücksichtigen.
Fazit
Wer die vier HR-Gestaltungsfelder erfolgreich implementieren möchte, braucht eine Unternehmensführung, die die notwendigen personalen Fördermaßnahmen und arbeitsbedingten Veränderungen offensiv und engagiert angeht, durchsetzt und Aussprachen nicht scheut. Eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Betriebs- oder Personalrat, eine vertrauensbildende Partizipation engagierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Hinzuziehung der Arbeitsforschung zur Bedarfsfeststellung, Maßnahmengestaltung und Wirkungskontrolle der Veränderungen sind ebenso angezeigt, damit die digitale Transformation mit gesunden, motivierten und kompetenten Fach- und Führungskräften gelingt.
Prof. Dr. Karlheinz Sonntag, Seniorprofessor und Arbeitspsychologe, Universität Heidelberg, und wissenschaftlicher Leiter des Forschungs- und Beratungsinstituts khs worklab GmbH