Versetzen wir uns in die Situation eines Onboardees: Am ersten Arbeitstag trifft er sich mit seinem Vorgesetzten und Kollegen am Unternehmensstandort. Der Neuankömmling hat einen festen Arbeitsplatz inklusive Computer. Ihn erwarten sowohl ein kleines Willkommensgeschenk und ein Bürorundgang als auch ein Mittagessen mit dem eigenen Team. In den ersten Tagen und Wochen finden immer wieder Kennenlernmeetings mit allen Abteilungen und Teams statt, und der Kontakt zur HR-Abteilung ist allein durch die räumliche Nähe gegeben. Doch wie sieht es aus, wenn der Onboardee …
- keinen festen Arbeitsplatz hat?
- vom ersten Tag an unterwegs ist?
- im Schichtdienst tätig ist?
- kein festes Team hat?
- in einem Unternehmen mit Filialstruktur beginnt?
- nur im Homeoffice arbeitet?
- in einer herausfordernden Branche wie Pflege oder Medizin tätig ist?
Onboarding jenseits des Unternehmensstandorts
Gerade Handwerker haben oft wechselnde Einsatzorte. Der tägliche Einsatz bestimmt den Arbeitsort, und häufig sind Beschäftigte auf Montage, bei Notfalleinsätzen, Installationen und Inbetriebnahmen von Geräten beim Kunden vor Ort. Das Umfeld wechselt ständig, möglicherweise sogar das Team. Daher empfehlen sich folgende Maßnahmen:
- Auch wenn ein Kollege keinen festen Arbeitsplatz hat, so sollte doch der erste Arbeitstag gemeinsam und in Form eines persönlichen Treffens stattfinden, beispielsweise am Standort der Verwaltung oder im Lager, in der Werkstatt oder am Fuhrpark. Sie können den Onboardee auch zu einem Rundgang und einem gemeinsamen Frühstück einladen, selbst, wenn er nicht auf dem Betriebsgelände arbeiten wird.
- Am ersten Tag können Sie ein kleines Willkommensgeschenk übergeben. Werden Sie kreativ: Schenken Sie keinen Blumenstrauß. Für einen Mitarbeiter im Außendienst sind ein Lunchpaket, ein Gutschein für eine Tankstelle oder Bäckerei die bessere Wahl.
- Grundsätzlich gilt: Auch wenn ein Onboardee kein Berufseinsteiger ist, sollten Sie ihn am Anfang niemals allein lassen. Ansonsten fühlt sich das neue Teammitglied nicht integriert und denkt womöglich schnell über eine Kündigung nach.
- Sind für den Berufsalltag bestimmte Werkzeuge oder besondere Berufsbekleidung notwendig, können Sie diese bereits während der Preboarding-Phase vorbereiten. Das Anprobieren der Arbeitskleidung kann als persönliches Treffen vor Arbeitsbeginn genutzt werden.
Besondere Situationen: Filialstruktur, Remote-Zusammenarbeit, Schichtdienst
Fängt eine neue Kollegin in einem Unternehmen mit Filialstruktur oder mehreren Firmensitzen an, gestaltet es sich schwierig, die Kollegen der anderen Standorte kennenzulernen. Dafür ist eine gewisse Vorbereitung notwendig. Virtuelle Meetings oder auch vorab aufgenommene Videos können die soziale Integration über den eigenen Standort hinaus fördern. Auch die Bildung von Gruppen zum Kennenlernen und der persönliche Besuch der anderen Standorte können sinnvoll sein.
Wird eine Person in einem Unternehmen eingestellt, in dem komplett remote gearbeitet wird, muss gewährleistet sein, dass diese Person eigenständig arbeiten kann, beispielsweise durch die rechtzeitige Bereitstellung von Arbeitsmitteln und einen ständigen virtuellen Kontakt zu einem Buddy. Gerade wenn es keinen persönlichen Kontakt gibt, müssen Sie ein besonderes Augenmerk darauf richten, den Onboardee zu integrieren, um ihn nicht wieder zu verlieren.
Die Arbeit im Schichtdienst erfordert ebenfalls besondere Sensibilität: Nur weil jemand neu ist und sich vermeintlich „beweisen“ muss, wäre es unfair, ihm nur die unbeliebtesten Schichten zu geben. Bedenken Sie, dass es Ihr Ziel ist, den Neuankömmling langfristig zu halten und zu binden. Gehen Sie daher ins offene Gespräch und verteilen Sie die Schichten fair. Bedenken Sie auch, dass der Onboardee durch die Schichten mit wechselnden Personen zusammenarbeitet und daher in der Anfangszeit immer wieder ein neues Kennenlernen stattfinden muss. Vorab könnten daher Steckbriefe verschickt werden, durch die der Onboardee einen Eindruck bekommt, wer künftig mit ihm zusammenarbeiten wird.
Spezielles Onboarding im Gesundheitswesen
Denken wir an die Arbeit in der Gesundheitsbranche, fallen uns sofort Überstunden, keinerlei Zeit für Pausen, niedriger Pflegeschlüssel, Personalmangel und schlechte Bezahlung ein. Es ist schwierig, Personal für Berufe in dieser Branche zu begeistern und, wenn es einmal gefunden ist, zu halten. Dazu kann ein effektives Onboarding einen wichtigen Beitrag leisten. Hier ein paar Tipps:
- Aufgrund der Notwendigkeit einer schnellen Einsatzbereitschaft ist die Einarbeitungszeit in der Pflege häufig kurz. Hier hilft es in jedem Fall, einen Buddy zu etablieren, der Fragen beantwortet und an den sich das neue Teammitglied mit sensiblen Themen wenden kann. Der Buddy ist auch sinnvoll, weil, bedingt durch Schichtdienst und hohe Fluktuation, das Team ständig wechselt. Er bildet eine Konstante.
- Wenn möglich, sollte das neue Teammitglied vor dem ersten Arbeitstag einen Schnupperarbeitstag haben oder ein Minipraktikum absolvieren. So kann es die Arbeitsabläufe und gegebenenfalls Patienten kennenlernen. Gerade bei Berufseinsteigern ist dieses Vorgehen sinnvoll, da diese noch nicht alle Abläufe kennen.
- Aufgrund des Personalmangels können sich medizinische Fach- und Pflegekräfte ihren Arbeitgeber aussuchen: Daher ist ein attraktives Employer-Branding entscheidend, um als Arbeitgeber herauszustechen.
- Wenn bestimmte Schulungen und Weiterbildungen notwendig sind, sollten diese an den Anfang des Onboardings oder, sofern möglich, ins Preboarding gelegt werden, damit der Neuankömmling schnell einsatzbereit ist. Zudem muss er so nicht wieder aus dem Arbeitsalltag herausgerissen werden, wenn er gerade angekommen ist. Dies hilft auch, administrative Angelegenheiten in den ersten Tagen zu reduzieren.
Nina Rahn, Geschäftsführerin d.vinci