Selbstreflexion – der Blick auf sich Reflexion bedeutet unter anderem, nachzudenken oder etwas prüfend zu betrachten. In der Selbstreflexion stellt der Reflektierende sich ins Zentrum. Das heißt, er schaut auf seine Emotionen, Gedanken, Handlungen und Interpretationen. So können Erfolge, Stärken, Entwicklungen, aber auch Verhalten, Ziele, Werte, Bewertungsmuster oder die Identifikation mit dem Job ins Blickfeld rücken.
Selbstreflexion zielt darauf ab, auf der Grundlage des Zurückschauens Erkenntnisse für die Zukunft und somit für den eigenen Entwicklungsprozess zu gewinnen.
Veränderungen in der Arbeitswelt
Auch in Unternehmen sollten Mitarbeiter Selbstreflexion verstärkt in den Blick nehmen. Das liegt im Wandel der Arbeitsbedingungen. In der Studie „Die Kunst des Führens in der Digitalen Revolution“, herausgegeben von Kienbaum und StepStone, resümieren die Autoren, dass Organisationen infolge der Digitalisierung Freiräume für ihre Mitarbeiter schaffen sollten. Die Freiräume für ein selbstbestimmtes Arbeiten wirken innovationsfördernd. Mitarbeiter werden künftig zunehmend das Was, Wie, Wann und Wo ihrer Arbeit definieren. Sie führen sich somit vermehrt auch selbst; eine Selbstkompetenz wird eingefordert. Im Gegenzug bedingt dies ein Führungsverständnis, das in einer vertrauensvollen Beziehung Feedback und Förderung der Mitarbeiter in den Vordergrund stellt.
Unter anderem infolge der Digitalisierung nimmt die Dynamik der Prozesse und Märkte zu, die Komplexität steigt. Ungewissheiten werden zu einer Konstanten. Von immer mehr Mitarbeitern wird Flexibilität und schnelles Handeln erwartet, und zwar auch dann, wenn Neues zu bewältigen ist und gewohnte Handlungsmuster nicht oder nur bedingt übertragbar sind.
Damit gewinnt Reflektieren an Bedeutung für Lernprozesse. Lernen findet zunehmend auch durch die Reflexion von Erfahrungen statt. Entwicklungsbedarfe lassen sich damit vermehrt aus der Rückschau erkennen.
Aufgrund dieser Rahmenbedingungen verwundert es nicht, dass Selbstreflexion unter den Top 5 der relevantesten Kompetenzen in der künftigen Arbeitswelt rangiert. Das zumindest weist die im Jahr 2020 veröffentlichte Studie der Initiative „Wege zur Selbst-GmbH“ aus. Jedoch ist Selbstreflexion die Kompetenz, bei der die Befragten dieser Studie – Experten aus dem HR-Bereich – die größte Lücke zwischen Notwendigkeit und Vorhandensein in der Zukunft prognostizieren.
Selbstreflexionskompetenz fördern
Beim Fördern der Selbstreflexion kommen schnell Fragen auf die Agenda: Wie reflektiere ich mich selbst? Was schaue ich mir an und welche Fragen stelle ich mir?
Andere Aspekte wie die Voraussetzungen der Selbstwahrnehmung und -beobachtung oder der Umgang mit den Reflexionsergebnissen sind mindestens genauso wichtig und im Vorfeld zu betrachten.
Doch Selbstreflektieren kann auch Erkenntnisse zutage fördern, die für den Einzelnen unbequem sind und deren Bearbeitung auch die Bereitschaft voraussetzt, sich mit sich selbst befassen zu wollen. So kann der einzelne auch zu einer Erkenntnis kommen, dass der jetzige Job nicht mehr der richtige ist. Das wirft Fragen nach Alternativen sowie den damit verbundenen Konsequenzen auf.
Nicht jede Selbstreflexion führt zu einem solchen Ergebnis. Dennoch ist es ratsam, das Selbstreflektieren mit begleitenden Angeboten wie Beratung, Coaching oder Mentoring zu verbinden. In diesen Formaten können der Reflexionsprozess und die subjektiven Bewertungen sowie Schlüsse daraus in den Blick genommen und um Fremdeinschätzungen ergänzt werden. Ebenfalls kann es hilfreich sein, die Mitarbeiter zum selbstorganisierten Austausch in Gruppen oder zwischen Kollegen zu ermutigen.
Diese Formen der Begleitung und des Austauschs in Selbstreflexionsprozessen sind auch dann wichtig, wenn beispielsweise die Gefahr besteht, die Ergebnisorientierung beim Reflektieren zu verlieren, oder wenn der Blick auf sich selbst durch eine Brille extrem hoher, perfektionistischer Ansprüche verzerrt ist.
Am Anfang der Förderung der Selbstreflexionskompetenz ist es sinnvoll, den Mitarbeitern – neben den eben genannten Punkten – verschiedene Themenbereiche und Methoden der Selbstreflexion beispielsweise mittels Webinaren vorzustellen und sie zu ermutigen, diese anzuwenden. So hat jeder die Möglichkeit, sich Themenfelder für Selbstreflexionen anzuschauen und Instrumente wie Fragebögen, Portfolios oder Apps auszuprobieren. Darauf aufbauend, können die stimmigen Wege zur Selbstreflexion, sei es mit oder ohne Begleitung eines Dritten, individuell gefunden werden.
Kompetenzen und Entwicklungsprozesse reflektieren
Lebenslanges Lernen ist Teil unserer Arbeitswelt 4.0 und findet in verschiedenen Formen wie dem Erfahrungslernen oder Lernen in klassischen Vermittlungssituationen statt. Die Mitarbeiter erhalten in Unternehmen die Möglichkeiten, selbstorganisiert und selbstverantwortlich zu lernen und damit ihre Entwicklung zu gestalten. Aufgrund der oben bereits dargestellten Erwartungen bezüglich des Selbstführens und des Einforderns der Selbstkompetenz sind es zunehmend die Mitarbeiter selbst, die ihre Entwicklung gestalten und verantworten.
Mit der Möglichkeit, teilweise aber auch konkreten Erwartungen seitens der Unternehmen, sich lebenslang zu entwickeln, wird das Selbstreflektieren unverzichtbar. Den eigenen Entwicklungsweg zu markieren setzt voraus, den Startpunkt und zumindest die Entwicklungsrichtung oder gar ein Ziel zu ermitteln. Ebenso ist es unverzichtbar, die eigenen Kompetenzen, die Entwicklungsfortschritte und Lernprozesse zu reflektieren.
Resümee
Selbstreflexion, also sich im Rückblick selbst anzuschauen, ist verbreitet. Im Alltag werfen reflektierte Menschen immer wieder einen Blick auf ihr Verhalten. Im beruflichen Kontext erleben wir Veränderungen durch die Arbeitswelt 4.0, die andere Anforderungen an Mitarbeiter hat. Es muss kritisch hinterfragt werden, ob primär andere wie etwa Führungskräfte oder HR-Bereich für die Personalentwicklung verantwortlich sind und sich darum kümmern. Die mit der neuen Arbeitswelt einhergehende zunehmende Selbstorganisation und Selbstverantwortung tangieren auch die eigene Entwicklung. Mitarbeiter sind somit gefordert, sich zu reflektieren und damit den Grundstein für die eigene Weiterentwicklung zu legen.