Die Vorweihnachtszeit soll eine besinnliche Jahreszeit sein: sich Zeit nehmen für die Liebsten, herunterkommen, durchatmen. Doch die Realität sieht häufig anders aus: Kurz vor den Feiertagen müssen Jahresabschlüsse gemacht und Deadlines eingehalten werden. Hinzu kommt die Organisation von Firmenfeiern und der allgemeine Shoppingwahn, der in den Läden und Einkaufszentren vorherrscht. Sprich: jede Menge Druck und Stress.
Diese Faktoren können schnell zu einem Burn-out führen. Und solche Stoßzeiten finden sich nicht nur in der Vorweihnachtszeit. Auch Einkaufsaktionen wie Black Friday und Cybermonday sorgen bei Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen für zusätzlichen Stress. Höchste Zeit also, darüber zu sprechen, was diese Krankheit sowohl für die Betroffenen als auch für Kollegen, Kolleginnen, aber auch das gesamte Unternehmen bedeutet.
Während manch einer Burn-out immer noch als „Modekrankheit” abtut, zeigen aktuelle Studien, dass diese psychische Erkrankung ein ernstzunehmendes Problem in unserer Gesellschaft ist: 84 Prozent der Deutschen sind gestresst, jeder zweite Deutsche glaubt sogar, von einem Burn-out bedroht zu sein.
Tatsächlich stiegen die Burn-out-Fälle in den vergangenen Jahren stetig an. Im Jahr 2019 verzeichnete die Gesundheitskasse AOK 5,9 Arbeitsunfähigkeitsfälle aufgrund von Burn-out-Erkrankungen je 1.000 Mitglieder.
Die Coronapandemie hat diesen Trend verstärkt und deutliche Spuren hinterlassen. Viele Menschen sind infolge der Belastungen durch die Pandemie besonders anfällig für Stresssituationen geworden. Laut einer Umfrage fühlt sich derzeit fast ein Drittel (29 Prozent) der Befragten durch die Pandemie „ausgebrannt“.
Konsequenzen von Burn-out für Gesamtunternehmen
Typische Burn-out-Symptome sind Schlafprobleme, Albträume, Konzentrationsschwäche sowie Kopf- und Rückenschmerzen. Betroffene haben zunehmend Schwierigkeiten, ihre Arbeit zu verrichten, sind weniger motiviert und weniger leistungsfähig. Es kommt immer häufiger zu Krankschreibungen und im schlimmsten Fall zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Arbeitsausfälle dieser Art haben auch gravierende Folgen für die Arbeitgeber und Arbeitgeberinnen. Vor zwei Jahren wurden 260,3 Krankheitstage je 100 Versicherte aufgrund psychischer Diagnosen gezählt.
Burn-outs von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen führen in Unternehmen neben hohen Kosten für Krankentagegeld, Produktionsverlust, Langzeitausfällen und Wissensverlust auch zu Unruhe und Verunsicherung innerhalb der Belegschaft sowie einer Mehrbelastung der anderen Teammitglieder. So wird im Endeffekt das gesamte Team von der mentalen Gesundheit der Einzelnen beeinflusst. Kollegen und Kolleginnen müssen Aufgaben der Erkrankten übernehmen und sind so selbst der Gefahr ausgesetzt, sich zu übernehmen. Das wirkt sich langfristig negativ auf die Unternehmenskultur aus. Angestellte können sich immer weniger mit dem eigenen Unternehmen identifizieren und verlieren das Vertrauen in die Unternehmensführung. Der dadurch bedingte Imageverlust führt wiederum zu verschlechterten Chancen im Wettbewerb um Talente. Es entsteht ein Teufelskreis, aus dem es für Unternehmen schwierig ist, auszubrechen.
Wenn man bedenkt, dass mit der Generation Z bald Talente auf den Arbeitsmarkt strömen, die viel Wert auf eine gute Work-Life-Balance legen, kann sich kein Arbeitgeber den Ruf erlauben, sich nicht um seine Angestellten zu kümmern oder sie gar in den Burn-out zu treiben.
Wirtschaftliche Folgen der Krankheit
Doch was bedeutet das in konkreten Zahlen? Abhängig von der Position der Erkrankten, können die Kosten variieren. Grundsätzlich gilt, dass es sich um ein Vielfaches der reinen Gehalts- und Nebenkosten handelt. Schätzungen zufolge kostet jeder Burn-out-Fall zwischen 50.000 und 100.000 Euro. Wenn beispielsweise Vertriebsmitarbeiter und -mitarbeiterinnen ausfallen, können ihre Kolleginnen und Kollegen unmöglich den gesamten geplanten Jahresumsatz abfangen. Das kann den Kostenfaktor sogar erhöhen. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin hat ausgerechnet, dass psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen 11,4 Milliarden Euro Produktionsausfallkosten und 24,5 Milliarden Euro des Ausfalls der Bruttowertschöpfung ausmachen (2019). Zusammen sind das 1,1 Prozent des Bruttonationaleinkommens. Im Internet gibt es verschiedene Websites, um auszurechnen, wie viel Ihr Unternehmen im Durchschnitt durch Burn-out verliert.
Doch in keiner dieser erschreckend hohen Zahlen sind die steigenden Marketing- und Recruitingkosten eingerechnet, die aufgrund des Imageschadens zu erwarten sind. Die tatsächlichen Verluste eines Unternehmens sind also auf lange Sicht viel höher.
Burn-out den Kampf anzusagen rechnet sich also. Auch eine Studie der Johannes Kepler Universität Linz zeigt, dass ein Investment in die Früherkennung der Krankheit sich langfristig rentiert, da erkrankte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen höhere Kosten verursachen. Neben der Kosteneinsparung sollten Unternehmen nicht vergessen, dass sie durch Früherkennung, Stressreduktion und andere Maßnahmen vor allem Menschen helfen, die sich hinter den Zahlen verbergen und um die es im Endeffekt geht.
Hilfe und Enttabuisierung
Für Unternehmen gibt es viele Gründe, rechtzeitig und vorsorglich etwas gegen die Ursachen von Burn-outs zu tun. Zusätzliches Personal ist eine Lösung, die in besonders stressigen Phasen für Entlastung sorgen kann. Durch zusätzliche (Zeit-)Arbeitskräfte können die regulären Mitarbeiter besonders in solchen Stoßzeiten entlastet werden.
Generell ist es wichtig, dass Burn-out kein Tabuthema in Unternehmen bleibt, sondern, dass langfristige Konzepte entwickelt werden, um psychischen Krankheiten vorzubeugen. Hierbei können zum Beispiel externe Coaches helfen und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Bereich Stressausgleich und Resilienz fortbilden. Andere Möglichkeiten sind die Benutzung von Entspannungs-Apps, die Einführung von Mindfulness-Days oder auch die Unterstützung durch Betriebspsychologen und -psychologinnen. Angepasst an das Unternehmen, können diese Maßnahmen für die Einzelnen, die Teams und das gesamte Unternehmen ein gesundes Arbeitsleben bedeuten.
Frederik Fahning, Mitgründer und Managing Director, Zenjob