Unternehmen, die mit Freelancern zusammenarbeiten, genießen Vorteile: Arbeitsrechtliche Schutzvorschriften sind auf diese Mitarbeiter ebenso wenig anzuwenden, wie für sie Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen sind. Das Problem ist nur, dass in der Praxis oft nicht jeder als Freelancer Beschäftigte auch wirklich ein Freelancer ist.
Das kann erhebliche rechtliche Folgen haben: Je nach Umfang der Zusammenarbeit können die Haftungsrisiken enorm sein – nicht nur für die Unternehmen, sondern auch für die verantwortlichen Manager persönlich. Diese sollten nicht unterschätzen, dass nicht selten Freiheitsstrafen die persönlichen Folgen sein können. Wie aber lassen sich diese Probleme präventiv vermeiden, und was ist zu tun, wenn sie unvermittelt auftauchen?
Wann ist ein freier Mitarbeiter frei?
Ein echter Freelancer darf weder Arbeitnehmer noch Beschäftigter des Unternehmens sein. Arbeits- und Beschäftigungsverhältnis sind zwar oft deckungsgleich, rechtlich dennoch zwei verschiedene Dinge:
- Für Arbeitsverhältnisse gelten arbeitsrechtliche Schutzvorschriften (Kündigungsschutz-, Mindestlohngesetz etc.). Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten sind die Arbeitsgerichte zuständig.
- Für das Sozialversicherungsrecht sind Beschäftigungsverhältnisse relevant. Liegt ein solches vor, sind Sozialversicherungsbeiträge abzuführen. Kontrolliert wird das in der Regel durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV). Für Streitigkeiten sind die Sozialgerichte zuständig.
Die Abgrenzungskriterien zum Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnis sind zwar nahezu identisch. So wird für beide Verhältnisse sowohl die Weisungsgebundenheit der betroffenen Person als auch deren Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers gefordert. Arbeitsgerichte und Sozialgerichte legen aber bei der Gewichtung unterschiedliche Schwerpunkte: So stellen Arbeitsgerichte entscheidend auf die Weisungsgebundenheit und Sozialgerichte auf die Eingliederung von Freelancern ab. Für die Eingliederung und eine damit einhergehende sozialversicherungspflichtige Beschäftigung genügt es bereits, wenn Freelancer eine dem Betriebszweck des Auftraggebers dienende Tätigkeit ausüben, auch wenn sie kaum mit festangestellten Mitarbeitern zusammenarbeiten.
Welche Folgen hat Scheinselbständigkeit?
Für Unternehmen und Manager ist die Frage der Sozialversicherungspflicht regelmäßig das größere Problem. Denn das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen kann immense finanzielle Schäden verursachen. So müssen sie rückwirkend (bei Vorsatz für bis zu 30 Jahre) nicht nur die Arbeitgeber-, sondern auch die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zahlen. Hinzu können Säumniszuschläge in Höhe von 1 Prozent für jeden Monat der Säumnis kommen. Bei vorsätzlichem Handeln können die vereinbarten Honorare als Nettobeträge behandelt, auf die Bruttobeträge hochgerechnet und hieraus anschließend die nachzuzahlenden Sozialversicherungsbeiträge ermittelt werden, was die finanzielle Belastung signifikant erhöht.
Vorsatz wird beispielsweise dann angenommen, wenn vermeintliche Freelancer die relevanten Tätigkeiten vorher als Arbeitnehmer des jetzigen Auftraggebers erbracht haben bzw. wenn ein Bescheid vorliegt, mit dem die Sozialversicherungspflicht der eingesetzten Freelancer bereits festgestellt wurde.
Zudem kann das vorsätzliche Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen eine Straftat des verantwortlichen Managers darstellen. Wer eine Vielzahl von vermeintlichen Freelancern über einen langen Zeitraum beschäftigt, läuft Gefahr, dass eine Freiheitsstrafe verhängt wird. Auch für das eigene Anstellungsverhältnis kann das negative Auswirkungen haben bis hin zur fristlosen Kündigung oder – bei einem GmbH-Geschäftsführer – einem Berufsverbot von fünf Jahren, wenn er zur Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr wegen nicht abgeführter Sozialversicherungsbeiträge verurteilt wird.
Wie können Unternehmen Scheinselbständigkeit vorbeugen?
Um einer Scheinselbständigkeit vorzubeugen, sollten Unternehmen Vertragsverhältnisse durch ausgewiesene Rechtsexperten gestalten lassen. Besonderes Augenmerk ist dabei auf die Kriterien zu legen, die für Selbständigkeit sprechen können. Zwar gibt es nach der Rechtsprechung dafür keine K.-o.-Kriterien. Gleichwohl können gewisse Kriterien als gewichtiger angesehen werden, wenn man die umfassende Rechtsprechung zur Thematik analysiert. Eine Schlüsselbedeutung kommt insbesondere der (Gewährleistungs-)Haftung und dem Unternehmensrisiko von Freelancern zu. Entscheidend ist am Ende jedenfalls aber nicht nur, was im Vertrag steht, sondern vor allem, wie das konkrete Vertragsverhältnis gelebt wurde.
Was tun, wenn doch Scheinselbständigkeit vorliegt?
Erlangt ein verantwortlicher Manager unvermittelt Kenntnis darüber, dass es Problemfälle im Unternehmen gibt, sollte er zunächst den Sachverhalt sorgfältig aufklären und den Personenkreis derjenigen ermitteln, die möglicherweise zu Unrecht als Freelancer behandelt werden. Sodann sollte er Haftungsrisiken einordnen und eine Umgangsstrategie entwickeln – die Unterstützung durch versierte Rechtsberater ist dabei unerlässlich, und regelmäßig bewährt sich ein interdisziplinäres Team aus Arbeits-, Sozial-, Steuer- und Wirtschaftsstrafrechtsanwälten. Mitunter ist es angezeigt, dass verantwortliche Manager sich persönlich rechtlich beraten lassen. Unternehmensorgane müssen unter anderem in Betracht ziehen, bei verantwortlichen Managern Regress zu nehmen. Zudem ist oft eine proaktive Vorgehensweise angezeigt: Je nachdem, mit welchen rechtlichen Problemen und Behörden (DRV, Zoll, Staatsanwaltschaft) ein Unternehmen zu tun hat, kommen dabei unterschiedliche Verfahrensweisen in Betracht.
Drohen hohe Nachzahlungen wegen Beschäftigung von Scheinselbständigen, sollten Unternehmen dennoch nicht aufgeben. Oft steht eine Vielzahl von rechtlichen und tatsächlichen Einwänden den teilweise überzogenen finanziellen Nachforderungen, vor allem der DRV, entgegen. Zu denken ist etwa an Verjährung bei langen Betriebsprüfungen oder an Argumente gegen Vorsatz.
Fazit
Auch wenn der Einsatz vermeintlicher Freelancer in der Praxis weit verbreitet ist, handelt es sich um kein Kavaliersdelikt, sondern um ein ernstzunehmendes Complianceproblem. Die Erfahrung zeigt aber, dass Managern mit entsprechendem Problembewusstsein und daraus abgeleiteten Handlungen kaum Gefahr droht. Mit rechtlicher Unterstützung kann aus einer tickenden Compliancezeitbombe eine beherrschbare Aufgabe werden. Nicht selten lässt sich sogar erreichen, dass Unternehmen Freelancer mit einem gut beherrschbaren Risiko einsetzen und damit ganze Geschäftsmodelle retten.
Dr. Daniel Hund, LL.M. (NYU), Partner, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht, und
Dr. Olga Morasch, Rechtsanwältin, ADVANT Beiten