HR-Abteilungen stehen unter großem Druck: Sie müssen effektiv und schnell passende Talente für das Unternehmen finden. Ein Lichtblick: Viele Unternehmen haben im Zuge der digitalen Transformation begonnen, smarte Technologien einzusetzen, um ihr Recruiting zu modernisieren und Prozesse zu optimieren.
Ein modernes Recruiting setzt digitale Prozesse und zunehmend auch den Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) voraus. Die Herausforderung: Da sich die User-Experience in allen digitalen Bereichen, beispielsweise beim Onlineshopping, rasant entwickelt, sind die Erwartungen von Bewerberinnen und Bewerbern hoch. Sie erwarten, dass sie sich bei Unternehmen ebenso einfach, reibungslos und intuitiv digital bewerben können, wie sie auch online shoppen. Unternehmen müssen sich diesem Anspruch stellen und ihren Bewerbungsprozess so effizient wie möglich und gleichzeitig kandidatenzentriert gestalten.
Die optimale Candidate-Experience
Unternehmen, die eine klare Employer-Branding-Strategie verfolgen und über reibungslose Abläufe verfügen, haben in puncto Recruiting wesentliche Vorteile gegenüber Wettbewerbern: So erfahren Talente bestenfalls schon bei den ersten Klicks auf Karriereseite oder Stellenanzeige, welche Kultur, Werte und Vision das Unternehmen vertritt. Ansprechende Content-Formate wie Videos bieten authentische Einblicke in den Unternehmensalltag. Wenn es dann zu einer Bewerbung kommt, bestätigt sich der gute erste Eindruck.
Doch in vielen Unternehmen hakt es genau daran, wie eine Studie deutlich macht. Demnach ist mehr als die Hälfte der Befragten mit dem Bewerbungsprozess unzufrieden, und zwar beginnend mit der Qualität von Karriereseiten. Daraus lässt sich schließen, dass einige Unternehmen bereits potentielle Talente verlieren, wenn diese auf die Karrierewebsite klicken.
Digital und automatisiert: von der Suche bis zum Vorstellungsgespräch
Ein großer Vorteil von Automatisierung ist, dass der Bewerbungsprozess letztendlich wieder „vermenschlicht“ wird. Das klingt zunächst widersprüchlich, ist es aber nicht: Automatisierung sorgt zum einen für unmittelbare Rückmeldung, beispielsweise über den Bewerbungseingang oder über den Status des Bewerbungsverfahrens. Auf Bewerberseite entsteht so das Gefühl von Professionalität und Wertschätzung. Diese einfache Form der Kommunikation ist zwar im E-Commerce, nicht aber in jedem Recruitingprozess Standard. Zum anderen schafft Automatisierung Zeit und damit Freiräume für andere, wertschöpfende Tätigkeiten wie Personalisierung beziehungsweise persönliche Kontakte an der richtigen Stelle.
Candidate-Relationship-Management: vom Marketing lernen
Im Marketing ist Customer-Relationship-Management (CRM) seit langem fester Bestandteil im Toolset. Es bezeichnet das Kundenbeziehungsmanagement, das systematische Sammeln von Informationen als Basis für Kommunikations- und Vertriebsmaßnahmen.
Im Recruiting bedeutet das: (Potentielle) Talente werden wie (potentielle) Kundinnen und Kunden behandelt und umworben. Die Idee dahinter ist, Kontakte aus bereits existierenden Quellen wie Karriereseiten oder Events sowie Second-best-Kandidatinnen und -Kandidaten aus laufenden Bewerbungsprozessen systematisch nutzbar zu machen, indem sie zentral gespeichert, segmentiert und durchsuchbar gemacht werden. Basierend auf dieser Segmentierung, hilft ein CRM – verstanden als Candidate-Relationship-Management – dabei, mit Talenten, die nicht sofort eingestellt werden, in Kontakt zu bleiben, individuell, automatisiert über Newsletter oder zielgruppenspezifische Kampagnen. Ziel dabei ist, einen Talentpool aufzubauen, auf den HR zurückgreifen kann, um künftige Vakanzen schneller besetzen zu können.
Matching: KI im Recruiting
Die Kombination von Talentpools mit Matching-Technologien erlaubt HR, selbst nach passenden Profilen zu schauen, bevor es externe Dienstleister wie Headhunter kontaktiert oder Stellenbörsen durchsucht. Das spart Zeit und Geld.
Mit den Tools lassen sich binnen weniger Sekunden Stellenanzeigen und Lebensläufe analysieren, strukturieren und die ermittelten Informationen in spezifische Kategorien einteilen. Dadurch gelingt es HR im nächsten Schritt, die Passgenauigkeit zwischen seiner Kandidatenbasis und aktuellen Stellenangeboten zu überprüfen. Idealerweise kann das Matching-Tool in Kombination mit den Daten des CRM alle Kandidatinnen und Kandidaten mit einem zuvor definierten „guten Score“ herausfiltern. Somit erhält HR eine Shortlist mit Talenten, denen es eine Stelle anbieten kann.
Smarte Auswahlverfahren: zeitversetzte Videointerviews
Seit Corona zählen Videointerviews zum Standard im Recruiting. Das Besondere an der zeitversetzten Version ist die Flexibilität, denn sie sind unabhängig von vollen Terminkalendern oder Arbeitszeiten. Letzteres ist gerade für Bewerberinnen und Bewerber, die in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis sind, praktisch. Sie können sich dabei in vertrauter Umgebung in einem kurzen Videoclip vorstellen.
Zudem bietet das Videointerview auch HR viele Vorteile: Die Talente zeigen in ihrer gewohnten Umgebung viel offener ihre Soft Skills. Videos können dann ausgewertet werden, wenn es zeitlich passt – und bei Bedarf können weitere Kolleginnen und Kollegen involviert werden. Mit passender Software profitiert HR zudem von Mehrsprachigkeit und individualisierbaren Fragenkatalogen.
Smart entscheiden mit KI
Experten zufolge reduziert sich mit Hilfe von KI die Gefahr, aufgrund von kognitiven Verzerrungen Fehlentscheidungen zu treffen. Im Gegensatz zum Menschen ziehen KI-Systeme ausschließlich objektive Kriterien zur Entscheidungsfindung heran. KI kann somit eine wertvolle Hilfe für Personalverantwortliche sein, vorausgesetzt, sie wird auf intelligente Art und Weise eingesetzt. Das setzt unter anderem voraus, dass bei der Auswahl der Talente aufgrund vorgegebener Algorithmen keine Vereinheitlichung oder gar Diskriminierung stattfindet.
Personalentscheiderinnen und -entscheider sind also besonders gefordert, immer die richtige Balance zwischen menschlichen und KI-basierten Entscheidungen zu halten und alle zur Verfügung stehenden technologischen Tools für ein modernes Recruiting im Sinne der Kandidaten und Kandidatinnen zu nutzen.
Carl Hoffmann, Co-Founder & COO, CleverConnect