Der Fachkräftemangel sorgt zunehmend für Spannungen auf dem deutschen Arbeitsmarkt. Es fehlt nicht nur an Nachwuchs, auch in bestehenden Belegschaften gibt es häufige Fluktuation. Entscheiden sich erfahrene Mitarbeiter, ihren Arbeitgeber zu verlassen, verschärft das die Situation für Unternehmen zusätzlich.
Das Fehlen des passenden Personals stellt Unternehmen teilweise vor existenzbedrohende Herausforderungen. Ein Viertel aller Unternehmen sieht laut KfW-ifo-Fachkräftebarometer seine Geschäftstätigkeit durch Fachkräftemangel behindert. Doch was können Unternehmen tun, um zum einen neue Mitarbeiter anzuziehen und zum anderen die bestehende Belegschaft zu halten? Antworten auf diese Fragen muss HR finden.
Vom Aktenwälzer zur Business-Unit
In der Unternehmensorganisation kommt HR eine besondere Rolle zu. Die Abteilung ist – unabhängig von Hierarchiestufe oder Abteilungszugehörigkeit – der zentrale Dreh- und Angelpunkt für alle Anliegen von Mitarbeitern. Zudem stellt sie das Gesicht nach außen für neue Bewerber dar.
Doch anstatt sich um die strategische Ausrichtung der Personalentwicklung kümmern zu können oder sich intensiv mit den Anliegen der Mitarbeiter zu befassen, wird HR in vielen Unternehmen auf die Tätigkeiten einer „Verwaltungsstube“ reduziert. Das entspricht nicht mehr den heutigen Bedürfnissen von Mitarbeitern und Bewerbern. Das belegt auch die Studie „Digitalisierung im Personalwesen“ von IDG Research Services. Demnach stimmen 44,6 Prozent der Befragten der Aussage zu: „Die Rolle von HR wandelt sich zu einer People- und Skills-Enablement-Unit.“
Um diesen Wandel zu ermöglichen, benötigen Personalmitarbeiter Freiräume sowie eine entsprechende technische Ausstattung. Während andere Abteilungen bereits moderne Tools oder komplette Automatisierungslösungen einsetzen, arbeiten mehr als 91 Prozent der Mitarbeiter in der Personalabteilung noch mit Excel, wie die Studie ergab. Oft gibt es zwar moderne Lösungen für Bereiche wie die Entgeltabrechnung oder die Zeiterfassung, aber damit werden noch lange nicht die Möglichkeiten der digitalen Transformation ausgeschöpft. So setzt nicht einmal ein Viertel der Befragten im HR-Bereich (22,8 Prozent) künstliche Intelligenz (KI) ein.
Employee-Experience entscheidend
Dabei bieten gerade Lösungen, die auf moderne Ansätze wie KI, Automation und Cloud setzen, die Möglichkeit, HR-Mitarbeiter von manuellen Routineaufgaben zu befreien. Dadurch entstehen für sie Freiräume, sich um einen zentralen Faktor zu kümmern, nämlich Mitarbeiter zu halten und neue anzuziehen, kurz, die Employee-Experience zu verbessern, also die Erfahrung eines Mitarbeiters über die gesamte Zeit seiner Unternehmenszugehörigkeit.
Während die Customer-Experience quer durch alle Branchen zum Maßstab für den Unternehmenserfolg geworden ist, rangiert in vielen Betrieben die Mitarbeitererfahrung in Sachen Priorität auf den hinteren Plätzen. Im verschärften Kampf um Mitarbeiter kann sich das aber kein Unternehmen mehr leisten, denn wenn erfahrene Mitarbeiter unzufrieden sind und einen Arbeitgeberwechsel erwägen, werden Wettbewerber sie mit offenen Armen empfangen. Gleichzeitig ist die Belegschaft ein wichtiger Kanal für das Employer-Branding. Wenn Mitarbeiter ihre positiven Erfahrungen im Freundes- und Bekanntenkreis teilen, stärkt das die Attraktivität eines Unternehmens für neue Talente.
Know-how fehlt
Die Studie beleuchtet auch Gründe, warum die Digitalisierung im Personalwesen nur schleppend vorangeht. Eine zentrale Herausforderung ist die Zusammenarbeit zwischen HR und IT. Letztere ist meist für die Implementierung neuer Software im Unternehmen zuständig. Schwierigkeiten kann es geben, wenn die Kommunikation der beiden Abteilungen nicht optimal läuft. Dann werden Lösungen eingeführt, die nicht den Bedürfnissen von HR entsprechen.
Mehr als die Hälfte (52,8 Prozent) der Studienteilnehmer stimmt der Aussage zu, dass „eine Befähigung oder Weiterbildung der HR-Mitarbeiter in IT-Themen essentiell ist, damit die Digitalisierung erfolgreich vorangetrieben werden kann.“ Wenn Personalverantwortliche sich mit den IT-Experten auf Augenhöhe unterhalten und ihre Bedürfnisse seitens der Prozesse klar kommunizieren können, kann IT eine Lösung suchen, die den Anforderungen entspricht. Werden Missverständnisse vermieden, wird außerdem der Prozess für die Implementierung neuer Technologien effizienter.
Autonomie ermöglichen
Die Integration neuer Systeme muss dabei nicht zum Kraftakt werden. In heterogenen IT-Landschaften können Cloudlösungen über Schnittstellen eingebunden werden und bieten über Software-as-a-Service-Modelle die Möglichkeit zur sofortigen Nutzung ohne aufwendige Konfiguration. HR-Abteilungen, die die Cloud nutzen, verwenden sie laut Studie meist für klassische Verwaltungsaufgaben wie die Entgeltabrechnung (47,2 Prozent).
Dabei bietet diese Technologie durch ihre Charakteristiken, wie den zentralen Zugang über das Internet unabhängig vom Standort, ein enormes Potential, Personalverantwortliche im großen Umfang von Routineanfragen zu befreien und Mitarbeitern gleichzeitig mehr Autonomie zu ermöglichen. Realisiert wird dies über sogenannte Self-Service-Angebote. Anstatt beispielsweise mehrmals täglich die Frage nach der Beantragung einer Bürobrille beantworten zu müssen, können Personaler diese Information samt Antragsformular in eine Wissensdatenbank stellen, die jeder Mitarbeiter zu jeder Zeit online aufrufen und darin nach Antworten auf seine Fragen suchen kann.
Solche Onlineangebote, die Mitarbeiter ohne Unterstützung nutzen können, adressieren außerdem die sich veränderten Anforderungen von Nachwuchstalenten an Arbeitgeber, darunter die Möglichkeit zum mobilen Arbeiten oder zum Arbeiten im Home-Office.
Durch die Digitalisierung von HR-Abteilungen schlagen Unternehmen also gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe: Zum einen werden die Personaler von Routinearbeiten entlastet und haben mehr Zeit, sich um die Mitarbeiter zu kümmern, was auf die Employee-Experience einzahlt und das Zugehörigkeitsgefühl stärkt. Zum anderen sind zufriedene Mitarbeiter wichtige Botschafter nach außen, um neue Talente anzuziehen. Deren veränderten Anforderungen und Bedürfnissen können Unternehmen durch den Einsatz moderner Technologien, die den Mitarbeiter in den Mittelpunkt stellen, Rechnung tragen.
Wieland Volkert, Country Manager DACH & Niederlande, UKG