Zulässigkeitsvoraussetzungen
Die „Betriebsvereinbarung betriebliche Vergütungsordnung“ ist insbesondere dann eine Alternative, wenn sich ein Unternehmen bewusst entscheidet, nicht Teil einer arbeitgeberseitigen Tarifgemeinschaft (wie Vollmitgliedschaft im Arbeitgeberverband) zu werden, oder wenn vom Geltungsbereich her anwendbare Flächentarifverträge aus Sicht des Unternehmens zum Unternehmen inhaltlich nicht passen. Gleiches gilt, wenn die Möglichkeit eines reinen Haustarifvertrags ausscheidet, da die Gewerkschaft zum Schutz des Flächentarifvertrags nicht bereit ist, dauerhafte und flexiblere, von Flächentarifverträgen abweichende Lösungen abzuschließen.
In all diesen Konstellationen und der weiteren Konstellation des wirksamen Austritts des Unternehmens aus dem Arbeitgeberverband bietet sich die sogenannte Betriebsvereinbarung betriebliche Vergütungsordnung als Alternative an. Sie hat eine Reihe von Vorteilen für Unternehmen. Doch unter welchen Voraussetzungen ist der Abschluss einer solchen Betriebsvereinbarung für Unternehmen ein zulässiges Vorgehen?
Die Betriebsvereinbarung betriebliche Vergütungsordnung ist, rechtlich gesehen, immer zulässig, soweit ihr keine normative tarifliche Regelung (zum Beispiel kraft Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband normativ geltende Flächentarifverträge oder zwischen Arbeitgeber und Gewerkschaft normativ geltender Vergütungshaustarifvertrag) entgegensteht.
Sie ist auch zulässig, wenn ein Unternehmen wirksam aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten ist. Sogar für normativ tarifgebundene Unternehmen ist eine solche Betriebsvereinbarung für Teilbereiche der Belegschaft zulässig, beispielsweise für außertariflich bezahlte Angestellte, da deren Vergütungsfragen regelmäßig tariflich nicht abschließend geregelt sind.
Rolle des Betriebsrats
In allen eben genannten Fällen sind die Einführung und der Abschluss einer Betriebsvereinbarung betriebliche Vergütungsordnung mit dem Betriebsrat zulässig. Dem Betriebsrat steht dabei das Mitbestimmungsrecht „Fragen der betrieblichen Lohngestaltung“ (§ 87 Nr. 10 BetrVG) zur Seite. Der Betriebsrat hat sogar ein Initiativrecht, das heißt, er kann proaktiv auf das Unternehmen zugehen und es zu diesbezüglichen Verhandlungen auffordern.
Würde ein Betriebsrat hingegen trotz Verhandlungsaufforderung des Arbeitgebers mit diesem nicht verhandeln wollen, weil er etwa die rechtliche Fehlvorstellung hat, dass Vergütungsfragen nur Tarifvertragsparteien in Tarifverträgen abschließen dürfen, kann das Unternehmen den gesetzlichen Konfliktlösungsmechanismus des Betriebsverfassungsgesetzes auslösen und die Einigungsstelle anrufen sowie den Betriebsrat an den Verhandlungstisch holen. Dort wird mit Hilfe eines neutralen Einigungsstellenvorsitzenden eine gemeinsame Lösung gesucht und regelmäßig gefunden.
Vorteile der Betriebsvereinbarung
Aber warum sollte sich ein Unternehmen für eine Betriebsvereinbarung betriebliche Vergütungsordnung entscheiden? – Der entscheidende Vorteil im Vergleich zum Tarifvertrag ist, dass das Unternehmen bei richtiger Gestaltung der Betriebsvereinbarung die Vergütungshöhe einseitig festlegen kann, denn dem Betriebsrat steht lediglich bei der Struktur der Entgeltgruppen und den Verteilungsgrundsätzen ein Mitbestimmungsrecht zu, nicht aber bei der konkreten Vergütungshöhe.
Dementsprechend legt allein das Unternehmen die konkrete Vergütungshöhe fest. Die Betriebsvereinbarung bietet Unternehmen somit im Vergleich zu Tarifverträgen eine deutlich höhere Flexibilität, da sie – einseitig ohne erneute Verhandlungen mit dem Betriebsrat – großzügige oder geringe Vergütungserhöhungen oder gar Nullrunden umsetzen können, je nach aktueller wirtschaftlicher Lage.
Zudem gibt es weitere Vorteile. So können die Betriebsparteien maßgeschneidert gemeinsam im Hinblick auf die im Unternehmen vorkommenden Berufe die jeweiligen Entgeltgruppen inhaltlich ausgestalten und untereinander eine transparente unternehmensspezifische Struktur entwerfen, die Gerechtigkeit bei der Vergütung schafft. Ein weiterer Vorteil ist, dass die Betriebsparteien passgenaue Regelungen etwa für die Vergütungsentwicklung der Arbeitnehmer (zum Beispiel in Entgeltbändern) vereinbaren können.
Verhandlungserfahrungen
Hinzu kommt, dass sich – zumindest nach den Verhandlungserfahrungen des Autors – die Betriebsvereinbarung betriebliche Vergütungsordnung im Unternehmen regelmäßig als passgenaue betriebsnahe Lösung etabliert hat, jedenfalls nach einer gewissen Implementierungs- und Gewöhnungszeit.
Auch die involvierten Betriebsräte und deren Belegschaften haben diese regelmäßig akzeptiert. Hilfreich für die Erlangung dieses Ergebnisses ist neben einer detaillierten rechtlichen Analyse der Ausgangssituation auch eine möglichst mit den Betriebsräten abgestimmte Kommunikation, wenn die Betriebsvereinbarung implementiert wird (beispielsweise mittels einer Betriebsversammlung oder über einen Erklärflyer).
Fazit
Unternehmen sollten bewusst entscheiden, welchen Weg sie bei Vergütungsfragen gehen wollen. Dabei sollten sie die jeweiligen rechtlichen, politischen und sonstigen Vor- und Nachteile eines jeden Wegs abwägen. In die Entscheidung sollten sie die Betriebsvereinbarung betriebliche Vergütungsordnung als zulässigen, kreativen Weg einbeziehen.
Dr. Wolfgang Lipinski, Head of Labor and Employment Law