Herr Brenscheidt, Sie führen alle zwei Jahre eine Befragung zu orts- und zeitflexiblem Arbeiten durch. Gerade ist Ihr neuer Bericht dazu erschienen. Welche Wünsche haben Arbeitnehmer? Welche Trends sehen Sie?
Frank Brenscheidt: Wir beschäftigen uns vor allem mit langfristigen Trends. Unsere Studie zu orts- und zeitflexiblem Arbeiten hat gezeigt, dass bisher ortsflexible Arbeit nur begrenzt eingesetzt wurde, zeitflexiblem Arbeiten waren Arbeitgeber eher aufgeschlossen. Das wird sich nach der Corona-Krise ändern. In Zeiten der Pandemie hat die Arbeit im Homeoffice natürlich zugenommen, dieser Trend wird bleiben.
Wir sehen auch weitere Trends: Es gibt viele Arbeitnehmer, die nicht mehr Vollzeit arbeiten möchten. Zudem wünschen sich viele, nicht unvorhergesehen Überstunden leisten zu müssen. Sie haben sich bewusst für ein Arbeitszeitmodell wie Teilzeit entschieden und möchten nicht mehr arbeiten. Für sie bedeutet es einen hohen organisatorischen Aufwand und kollidiert mit ihrem Privatleben, wenn von ihnen Überstunden verlangt werden.
Was sehen Sie als größte Vorteile des zeit- und ortsflexiblen Arbeitens an?
Frank Brenscheidt: Ein großer Vorteil ist, dass sich Arbeitnehmer den Weg zur Arbeit sparen. Für viele heißt das, dass sie in Ruhe in den Tag starten, ihre Kinder verabschieden und dann direkt mit der Arbeit im Homeoffice beginnen können. Dadurch ist ihre Work-Life-Balance ausgeglichener. Sie gewinnen Lebenszeit, weil sie weniger pendeln. Das Wohlbefinden steigt. Zudem geht die hinzugewonnene Freiheit mit mehr Zufriedenheit einher. Das wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Mitarbeiter und damit den Erfolg des Unternehmens aus. Auch sind Unternehmen, die Flexibilität ermöglichen, am Arbeitsmarkt attraktiver.
Hat das flexible Arbeiten auch Nachteile?
Frank Brenscheidt: Problematisch ist es, wenn ein Arbeitnehmer zum Unternehmer wird. Das kann passieren, wenn er im Homeoffice keine festen Arbeitszeiten hat. Er geht eben abends nicht nach Hause, sondern dehnt seine Arbeitszeit immer weiter aus und macht auch keine Mittagspause. Die Zeit für Erholung fehlt. Das wirkt sich mit der Zeit negativ auf die Gesundheit aus.
Auch der Austausch mit Kollegen kann beim flexiblen Arbeiten fehlen. Dabei ist er wichtig für Ideen und Kreativität. Manchmal reicht schon eine kurze Besprechung oder ein informeller Austausch auf dem Flur, um neuen Schwung in die Arbeit zu bringen. Wenn das fehlt, leidet die Arbeit.
Sie schauen in Ihrem Institut vor allem auch auf die gesundheitlichen Risiken, die entstehen, wenn Telearbeit nicht gut begleitet wird. Welche sind das?
Frank Brenscheidt: Wenn flexibles Arbeiten schlecht gemacht ist, bestehen erhöhte Risiken, schnell zu ermüden oder gar erschöpft zu sein. Auch andere Gesundheitsbeschwerden wie Schlafstörungen und Niedergeschlagenheit können bei Teleworkern vorkommen – mindestens genauso häufig wie an klassischen Büroarbeitsplätzen. Auch Vereinsamung kann im Homeoffice passieren. Allerdings kann das auch im Büro sein, wenn ein Kollege keinen Anschluss hat.
Wie können Führungskräfte den Herausforderungen begegnen?
Frank Brenscheidt: Die Rolle der Führungskraft ändert sich, wenn Mitarbeiter regelmäßig im Homeoffice arbeiten. Wichtig ist, dass sie ihre Mitarbeiter wahrnimmt, auch wenn diese an einem anderen Ort arbeiten. Wenn meine Mitarbeiter im Büro sind, sehe ich, wie es ihnen geht. Zu Hause kann ein Mitarbeiter vertuschen, wenn es ihm nicht gut geht. Die Führungskraft hat die Aufgabe, die Mitarbeiter abzuholen, Kontakte zu pflegen und sie nicht von Informationen abzukoppeln.
Wir empfehlen eine alternierende Telearbeit, bei der Mitarbeiter einen Tag pro Woche zu Hause arbeiten. Es gibt aber auch andere Empfehlungen, zum Beispiel zwei Tage pro Woche im Homeoffice. Die Vereinbarung sollte immer den individuellen Bedürfnissen entsprechen.
Welche Voraussetzungen sind essentiell, damit Telearbeit gelingt?
Frank Brenscheidt: Voraussetzung für funktionierende flexible Arbeit ist immer, dass die Vereinbarungen, zum Beispiel zu Arbeitszeiten, auch im Homeoffice eingehalten werden. Denn auch Ruhezeiten sind wichtig, um von der Arbeit abschalten zu können, und wirken sich positiv auf die Gesundheit sowie die Work-Life-Balance aus.
Auch die technischen Gegebenheiten außerhalb des Büros müssen stimmen, ebenso wie die Ergonomie des Arbeitsplatzes und das Eingebundensein in Informationsketten.
Führungskräfte müssen geschult sein, faire Zielvereinbarungen zu formulieren. Eine Führungskraft darf keine Ziele zulassen, von denen sie weiß, dass sie in der vereinbarten Arbeitszeit nicht erreicht werden können. Das würde zu Überlastung führen.
Zu guter Letzt muss die Führungskraft Kommunikationsregeln festlegen. Das kann sein, dass Kleingruppen jeden Morgen virtuell zusammenkommen. Dieser Fixpunkt kann ein guter Start in den Arbeitstag sein. Auch Einzelkämpfer sollten dabei einbezogen werden. Für größere Teams können wöchentliche Treffen sinnvoll sein.