Altersforscher Sven Voelpel weiß, dass viele Menschen heutzutage in ständigem Stress leben und wenig Zeit aufwenden können oder wollen, um gesund und fit zu bleiben. Dennoch hat er ein Rezept, die sogenannte Jungbrunnenformel, die helfen kann, bis ins hohe Alter fit zu bleiben. Voelpel rät dabei niemandem, gleich sein ganze Leben umkrempeln zu wollen. Vielmehr sei es wichtig, „mit einem Schritt anzufangen“, betont er. So kann jeder Mensch sein Leben bewusster leben und dadurch bis ins hohe Alter gesund bleiben, ist Voelpels Überzeugung.
Jeder Schritt ist wichtig
Seine Tipps hat Voelpel in seinem neuen Buch „Die Jungbrunnenformel wie wir bis ins hohe Alter gesund bleiben“ (ISBN: 978-3-499-00193-2) zusammengefasst. Sieben Bereiche hat er dabei identifiziert: Es geht um unsere innere Einstellung, um Ernährung, Bewegung, Schlaf, Entspannung, Atmung und soziale Kontakte. Jeden dieser Bereiche hat der Autor in drei Unterkategorien eingeteilt. Mit einfachen Mitteln ist es somit in jedem Bereich möglich, etwas zu verändern und nicht nur das Wohlbefinden zu verbessern, sondern auch das Risiko zu minimieren, krank zu werden. „Wer etwas für seine körperliche und geistige Gesundheit tut, kann dadurch Zivilisationskrankheiten wie Herzinfarkt, Diabetes, Atemwegserkrankungen und Krebs vorbeugen“, meint er. Auch die Leistungsfähigkeit – beruflich wie privat – könne mit Hilfe seiner Formel gesteigert werden.
Dafür genüge schon ein einziger Schritt. Dieser habe bereits einen positiven Effekt, ermuntert Voelpel alle, klein anzufangen. Jeder könne sich einen Schritt heraussuchen, mit dem er beginnen möchte. Das kann sein, morgens die Treppen zum Büro hochzusprinten und dabei schneller zu sein als der Kollege im Aufzug; es kann aber auch sein, beim Telefonieren herumzulaufen oder auch nur einmal bewusst eine gesunde Mahlzeit zu essen.
„Die Jungbrunnenformel soll Spaß machen“, betont Voelpel. Somit kann jeder – ob gestresste Führungskraft, Arbeitnehmer oder Familienvater oder -mutter – ein bisschen von der Jungbrunnenformel in seinen Alltag integrieren, ohne sich unter Druck zu setzen.
Auch neue Bewegungsabläufe könnten Menschen in ihren Alltag einbauen, wenn sie sich beispielsweise mit der linken statt mit der rechten Hand die Zähne putzen, sich beim Zuknoten der Schuhe gleichzeitig dehnen oder eine neue Sportart wie Tischtennis oder Hula-Hoop trainieren. „Immer, wenn wir etwas Neues lernen, bilden sich neue Synapsen im Gehirn“, und das fördert schließlich auch die mentale Fitness.
Innere Einstellung ist entscheidend
Der Altersforscher weiß aus eigener Erfahrung, dass jeder positive Effekt – und sei es ein noch so kleiner Schritt oder ein kleines Erfolgserlebnis – die Selbstwirksamkeit steigert. „Aus dem ersten Schritt folgen weitere“, ist er überzeugt. Der Anfang ist aber immer, seine innere Haltung zu verändern.
Voelpel selbst lebt seit einigen Jahren sein Leben bewusster. Begonnen hat er damit vor etwa sechs Jahren. Damals kam vieles zusammen: Hausrenovierung und Umzug in kurzer Zeit, Betreuung seiner beiden recht jungen Söhne und Professur während der Vorlesungszeit mit laufenden Projekten. Diese Ereignisse stellten ihn damals vor extreme Herausforderungen und erzeugten puren Stress, erinnert er sich. Das bewegte ihn zum Umdenken und zum Umstellen seines Lebens.
Er habe damals seine innere Haltung verändert. Sein erster Schritt war, jeden Tag mit seinen Kindern auf den Spielplatz zu gehen und dort selbst an der Reckstange zu trainieren. Jeden Tag schaffte er mehr Klimmzüge: „Nach nur sechs Wochen habe ich eine Leistungsexplosion erlebt“, erinnert er sich nicht ohne Stolz. Seither kann er Klimmzüge einhändig machen und gleichzeitig mit der anderen Hand telefonieren.
Mindset wirkt in viele Bereiche
Seine damalige Leistungsexplosion habe gezeigt, dass allein durch die innere Einstellung viel verändert werden kann. „Durch meine Einstellung kann ich das Mindset verändern. Das wirkt auch in andere Bereiche.“
Doch die Einstellungsänderung laufe nicht nur im Bewussten ab, so Voelpel: „Wir müssen tiefgreifend unsere Einstellung verändern. Der Großteil unseres Handelns ist durch das Unterbewusste gesteuert.“ Dazu gehören Werte und Glaubenssätze, die uns unsere Eltern, andere Erziehungsberechtigte und Lehrer schon in der Kindheit mit auf den Weg gegeben haben. Auch gesellschaftliche Werte spielen eine große Rolle in unserem Unterbewussten. Doch durch unser Mindset, durch unsere Einstellung, können wir das gesamte Handeln, auch das Unterbewusste, beeinflussen.
Altersgemischte Teams ergänzen sich
Durch eine neue Haltung könnte es auch gelingen, den negativen Ruf des Alterns in der Gesellschaft zu verbessern, hofft der 46-Jährige. „In unseren Gedanken ist Älterwerden negativ behaftet“, bedauert er. Wer ans Älterwerden denke, denke automatisch an Abbau, daran, dass ein Mensch vieles nicht mehr oder nicht mehr so schnell erledigen kann. Voelpel empfiehlt, das Altern differenzierter zu betrachten: Viele Menschen werden im Alter stabiler, gefestigter, sie sind erfahrener und können Zusammenhänge besser überblicken. Das eröffnet auch Potenziale.
Personalabteilungen können diese Erkenntnis nutzen. So sei es ratsam, meint der Professor für Betriebswirtschaft, dass Teams immer aus jüngeren und älteren Arbeitnehmern zusammengesetzt würden. Während die jüngeren mehr neues Wissen aus der Ausbildung und oft neue, kreative Ideen einbrächten, verfügten die älteren über mehr Erfahrungswissen und könnten besser selektieren und beurteilen, ob eine neue Idee voraussichtlich erfolgreich ist oder floppt. „Im Idealfall ergänzen sich die Ideen der Älteren und der Jüngeren.“
BGM als große Herausforderung für HR
Auch Tipps für das betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) in Unternehmen leitet Voelpel aus seiner Jungbrunnenformel ab. Zum einen könnte das BGM in Unternehmen genau wie seine Formel anhand von sieben Kategorien aufgebaut werden. Zum anderen sollten die Maßnahmen zur betrieblichen Gesundheitsförderung alle Mitarbeiter ansprechen. Das sieht Voelpel als große Herausforderung, denn es sei schwierig, Mitarbeiter zu bewegen, etwas für ihre Gesundheit zu tun, wenn sie keinen eigenen inneren Antrieb dazu haben. Diese Mitarbeiter müssten individuell abgeholt werden. Das könne am besten gelingen, wenn Führungskräfte selbst Elemente der Jungbrunnenformel in ihren Alltag integrieren und als Vorbilder vorleben.