Der Continental-Health-Index: Was 2016 noch in den Kinderschuhen steckte, wird langsam erwachsen. Die Abteilung Betriebliches Gesundheitsmanagement des Continental-Geschäftsbereichs Automotive Distance Control Systems (ADC GmbH), der Fahrerassistenzsysteme entwickelt, führte vor rund drei Jahren am Standort Lindau ein Pilotprojekt durch, das die Gesundheit der Mitarbeiter verbessern soll. Zwei Jahre später wagte die BGM-Abteilung den zweiten Schritt: Der gesamte deutsche Geschäftsbereich, der sieben Standorte umfasst, sollte vom Projekt profitieren. Nathalie Buchhierl, seit 2016 Leiterin des Gesundheitsmanagements der ADC GmbH, sah von Anfang an den Mehrwert: „Das Pilotprojekt lief so gut, dass wir es noch auf alle deutschen Standorte ausweiten wollten“.
Konkret geht es um den Continental-Health-Index, der den Gesundheitszustand der Mitarbeiter durch eine anonyme Online-Befragung erfasst. Diese führte 2018 das BGM unter der Führung von Buchhierl und in Kooperation mit einer Krankenkasse an allen deutschen Standorten durch. Betroffen sind 2.000 Mitarbeiter, von denen rund die Hälfte an der Befragung teilgenommen hat. „Die Teilnehmerquote war für uns zufriedenstellend und Grund genug, um an dem Projekt dranzubleiben“, sagt die Managerin. Die Fragen bezogen sich nicht spezifisch auf die Arbeit, sondern auf das Wohlbefinden der vergangenen zwei Wochen, wodurch auch private Einflüsse großen Einfluss hatten.
Inhalt: physischer und psychischer Zustand
Der Fragebogen, der auf wissenschaftlichen Gütekriterien basiert, „ist ein valides Messinstrument für das Wohlbefinden der Mitarbeiter“, findet Buchhierl. Thematisch bezogen sich die Fragen auf:
- das psychosoziale Wohnbefinden
- das körperliche Wohlbefinden
- die Work-Life-Balance
- den Sinn & Commitment
- das Gesundheitsverhalten
- die soziale Unterstützung
- die subjektive Arbeitsfähigkeit
- die direkte Führung
Ziel der Befragung war es, gesundheitliche Frühindikatoren zu ermitteln und die Wirksamkeit der Maßnahmen nachzuvollziehen. „Wir wollen Gesundheit messbar machen“, betont Buchhierl. Die Ergebnisse haben das geschafft, „obwohl sie wenig überraschend waren, denn sie haben das in Zahlen bestätigt, was mein Bauchgefühl mir schon gesagt hatte“. Das Ergebnis zeigt, dass die rund 1.000 teilnehmenden Mitarbeiter junge, körperlich fitte Mitarbeiter sind, die einen starken sozialen Zusammenhalt haben und ihre direkte Führungskraft gut bewerten. Sie haben eine hohe intrinsische Motivation und wollen Dinge verändern, innovative Produkte vorantreiben und an der Zukunft des automatisierten Fahrens mitwirken. Das bringt jedoch auch Risiken mit sich: „Die Extrameile, die die Mitarbeiter gehen wollen, könnte das psychosoziale Wohlbefinden und die Work- Life-Balance gefährden“, ahnt Buchhierl.
Nach den Ergebnissen folgen Analyse und Maßnahmen
Nach der Befragung und den daraus resultierenden Ergebnissen war es für das BGM noch nicht vorbei: Der Geschäftsbereich ADC analysierte die Ergebnisse. Es gab Analyseworkshops mit internen und externen Experten sowie an allen Standorten mit den Mitarbeitern, denen man die Ergebnisse vorstellte. „Das Verständnis für Gesundheitsthemen wurde dadurch bei dem Management, den Führungskräften und den Beschäftigten größer“, erklärt Buchhierl. Außerdem würden die Ergebnisse nicht nur Frühindikatoren und Wirksamkeit darstellen, sondern auch eine grobe Analyse zur psychischen Gefährdungsbeurteilung.
Eine besondere Rolle nehmen dabei die Führungskräfte ein. „Ich versuche, die Partner in alle Bereichen miteinzubeziehen, und stehe ihnen sozusagen als Co-Trainer zur Seite“, erklärt Buchhierl. Die BGM-Abteilung bietet auch ein gezieltes Führungskräftetraining (healthy Leadership) an.
Eine weitere Maßnahme, um das gesunde Mindset und eine entsprechende Kultur zu implementieren, ist das Weiterbildungskonzept „Sense Relax Act“, das in der Arbeitszeit wahrgenommen werden kann. Dazu werden Mitarbeiter, die überwiegend Ingenieure sind, in Workshops und Vorträgen zu bestimmten Themen aufgeklärt. Die Workshops finden in zwei Etappen statt. Der zweite folgt etwa ein halbes Jahr später, um die im ersten gelernten Erkenntnisse umzusetzen. Die Teilnehmer sollen ihre Selbstkompetenz erweitern, psychische Widerstandsfähigkeit lernen, ihre Achtsamkeit stärken und die Vorteile von einer gesunden Balance zwischen Freizeit und Arbeit kennen. „Nur mit der richtigen Mischung lassen sich dauerhaft Höchstleistungen erzielen“, meint die BGM-Leiterin. An den Workshops, die bisher an fünf von sieben Standorten stattfanden, nahmen über 25 Prozent der Mitarbeiter teil und bewerteten sie mit einer Schulnote von 1,7 (Stand Anfang 2019). ADC bietet auch nach den Workshops , die auf Teamebene ablaufen, ein Einzelcoaching an.
Auch die Maßnahme „Future Work Initiative“ soll zum verbesserten Gesundheitszustand der Mitarbeiter beitragen. Dort geht es um den Umgang mit mobilem und flexiblem Arbeiten und Sabbaticals.
Index-Ergebnisse wecken auch Führungskräfte auf
Der Continental-Health-Index, der künftig alle zwei Jahre erhoben werden soll, um die Maßnahmen erstmal in Ruhe zu testen, ist einer der wohl größten Meilensteine im BGM, das seit 2013 im Unternehmen stattfindet. „Er hat nicht nur geholfen, das BGM zu etablieren, sondern war auch der Türöffner bei der Führungsetage, die mit den Zahlen von der Wichtigkeit des Themas überzeugt wurde.“
Besonders wichtig ist für Buchhierl, dass der Index und die Maßnahmen nachhaltig sind. Durch die Erhebung für jeden einzelnen Standort sind die Maßnahmen individuell auf jeden Mitarbeiter bezogen. „Wir entwickeln nicht einfach Maßnahmen ins Blaue, sondern gehen da ganz gezielt dran und schaffen damit Nachhaltigkeit.“ Deshalb ist der Index auch keine Strategie des gesamten Continental-Konzerns und hat keine Auswirkungen auf deren BGM-Strategie.
Künftig stehen noch weitere Projekte und Maßnahmen auf der Agenda der Leiterin des Betrieblichen Gesundheitsmanagements: „Wir befinden uns in einem dynamischen Geschäftsfeld, in dem es zur Aufgabe gehört, dass BGM immer zu analysieren und weiterzuentwickeln. Wir müssen neue Maßnahmen generieren, die zum agilen Arbeiten passen.“