Julia, Frank, Emma und Philipp arbeiten bei der Deutschen Bahn. Sie sind vier von den rund 210.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Deutschland. Doch sie sind nicht irgendwelche Talente. Sie sind Stereotypen und vertreten jeweils eine der vier Generationen, die unter dem Dach des Konzerns arbeiten.
Generationen bringen Vielfalt
Jede dieser vier Generationen – Babyboomer, Generation X, Y und Z – bringt unterschiedliche Einstellungen und Werte sowie Erfahrungen und Kompetenzen mit. Diese Vielfalt unter einen Hut zu bringen ist nicht immer einfach. Das bestätigt Katharina Greiff, die für das Generationenmanagement bei der Deutschen Bahn zuständig ist. „Alle in den Austausch zu bringen, zu schaffen, dass sie aufeinander zugehen ist die größte Hürde“, sagt die studierte Wirtschaftspsychologin. Denn die Generationen hätten alle viele Vorurteile den anderen gegenüber.
Um dieser Herausforderung zu begegnen, hat der Konzern vor einigen Jahren begonnen, die Talente aus den verschiedenen Generationen zunächst näher kennenzulernen und die Kompetenzen der jeweiligen Altersgruppen zu erkennen. Greiff hat dazu Vertreter aller Generationen befragt, Fähigkeiten und Stärken der einzelnen Gruppen herausgefiltert, eigene Annahmen überprüft und schließlich ein Projekt zum Abbau von Vorurteilen aufgesetzt.
Stereotypen kennen
Vier Stereotypen – eben Julia, Frank, Emma und Philipp – sind dabei entstanden. Zeichner haben diese Charaktere comichaft dargestellt und zudem in einem Film zum Leben erweckt. „Die Typen sollen lustig, satirisch sein, aber ich wollte niemandem auf die Füße treten“, betont Greiff. Das sei gelungen, da sie alle entstandenen Charaktere von Vertretern der eigenen Generation habe prüfen lassen: „Ich habe die Franks und die anderen jeweils von einer Generationenrunde prüfen lassen“, sagt Greiff.
Für jeden Stereotypen haben die Zeichner zwei Bilder erstellt. „Wir haben jeden Typen dargestellt, wie er sich selbst sieht und wie die anderen ihn sehen.“ So werde der Pullunder tragende Frank aus der Generation der Babyboomer als ein Mensch mit vor dem Körper gefalteten Armen gesehen, der Trübsal bläst, auf seinem Wissen sitzt wie auf einem Schatz und nur noch auf seine Rente wartet. Frank selbst sagt von sich, dass er sein Wissen gern weitergeben wolle, danach aber gefragt werden möchte. Natürlich freue er sich auf die Rente. Bis dahin möchte er aber gern noch an Projekten mitarbeiten, seine Expertise einbringen und verhindern helfen, dass die gleichen Fehler wie früher gemacht werden.
Vielfalt als Herausforderung und Chance zugleich
Dass die vier Generationen zusammenfinden und Vorurteile aufbrechen, sei nicht einfach, berichtet Greiff. Sie hat sich im Jahr 2018 dieser Aufgabe angenommen. Damals war klar, dass in den kommenden fünf bis zehn Jahren rund ein Drittel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Deutschen Bahn in Rente gehen wird. Die Bahn wollte sicherstellen, dass sie ihr Wissen an die nachfolgenden Generationen weitergeben. Somit war auch wichtig, dass die älteren Generationen überhaupt mit den jüngeren ins Gespräch kommen.
Diesen Generationenwechsel wollte die Bahn gut gestalten. „Uns stellte sich die Frage: Wie schaffen wir es, einen alten Eisenbahner, der in der Ausbildung aktiv ist, mit der neuen Generation zusammenzubringen?“, erklärt Melanie Krüger, Leiterin Strategische Personalentwicklung bei der Deutschen Bahn.
Werkzeugkoffer „Generationenmanagement“
Gemeinsam mit einer Kollegin hat Greiff damals Formate entwickelt, um die verschiedenen Generationen an einen Tisch zu bringen und Vorurteile aufzubrechen. Ein ganzer Maßnahmenkoffer mit 45 generationenübergreifenden Formaten ist daraus entstanden. Diese lassen sich schnell und mit geringem Aufwand umsetzen und können in vier Kategorien gegliedert werden: Events, Schulungen und Weiterbildung, Vernetzung sowie Entwicklung. „Über die Ideen haben mehrere Gremien geschaut. Nicht alle durften umgesetzt werden“, erinnert sich Greiff.
„Ich habe versucht, die Angebote niederschwellig zu machen, und mir Maßnahmen ausgedacht, die in das bestehende System integriert werden können und Spaß machen.“ Eine Maßnahme, die Greiff realisieren konnte, waren Kaffeegutscheine. Diese ermöglichen den Mitarbeitern, in den Kasinos des Konzerns kostenlos einen Kaffee zu trinken. Einzige Bedingung: Gegenüber muss ein Vertreter einer anderen Generation sitzen. Wen sich die einzelnen Personen als Gegenüber aussuchen, bleibt ihnen überlassen. „Auf die Kaffeegutscheinen haben wir Fragen gedruckt, zum Beispiel ,Was überrascht dich an deinem Gegenüber?‘ Und: ,Was ist deine größte Frage, die du der gegenübersitzenden Generation schon immer stellen wolltest?‘“
Neben den Kaffeegutscheinen gibt es weitere Projekte zur Förderung des Miteinanders wie Firmenläufe, Workshops zum Thema Generationenmanagement, das Format „Lunch and Learn“, und Veranstaltungen, auf denen auch die vier Stereotypen immer wieder präsent sind.
Auch gibt es Gutscheine speziell für Auszubildende nach dem Motto „Wissen wird mehr, wenn man es teilt“. Diese Gutscheine erlauben es Auszubildenden, auf eine beliebige Person zuzugehen – ob im Aufzug oder auf dem Büroflur – und sie um eine Stunde Zeit zu bitten. In dieser Stunde dürfen die Auszubildenden beliebige Fragen stellen: „Die jungen Talente fragen zum Beispiel: ,Bist du bei Snapchat‘, oder ,Kannst du mir erzählen, wie viele verschiedene Weichen es bei der deutschen Bahn gibt‘“, erzählt Greiff.
Damit jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter die Maßnahmen nutzen kann, hat Greiff sie in einer Powerpointpräsentation zusammengefasst. Sie enthält auch Angaben zu Ansprechpartnern, zum Zeitumfang jeder Maßnahme, zu ihrem Beitrag zum Generationenmanagement und zur Finanzierung beantwortet. Die Angebote werden allen Beschäftigten im Intranet präsentiert und fortlaufend weiterentwickelt. Begleitende Workshops machen die Führungskräfte fit für die Umsetzung.
Es darf nicht an Gesprächen hapern
Greiff ist bewusst, dass nicht alle Beschäftigten solche Maßnahmen brauchen, um aufeinander zuzugehen. Doch sie möchte auch diejenigen ansprechen, denen es schwerfällt, auf die andere Generation zuzugehen. „Wir sind von so vielen intelligenten Köpfen umgehen, arbeiten alle für ein Unternehmen und haben das gleiche Ziel. Mich ärgert es, wenn es an Gesprächen hapert“, sagt sie.
Dass die Maßnahmen ankommen, zeigen Rückmeldungen von Kolleginnen und Kollegen. „Wir haben viel Feedback bekommen. Das zeigt, dass die Maßnahmen etwas im Konzern bewegen“, berichtet Krüger. Und noch etwas spricht für den Erfolg: Das Diversity- und Generationenmanagement der Bahn hat bereits Preise gewonnen, den German Diversity Award und den Impact of Diversity Award.
Kirstin Gründel