Optimieren, das heißt in der Praxis, möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu machen. Ein Meeting, ein Anruf, ein Kollege, der noch schnell etwas braucht, eine E-Mail, die sofort beantwortet werden muss – der Tagesablauf, insbesondere von Führungskräften, ist fragmentiert. Die einzelnen thematischen Arbeitsepisoden dauern im Durchschnitt nur wenige Minuten. Oft erledigen Führungskräfte oder auch Mitarbeiter mehrere Arbeitsaufgaben parallel.
Multitasking lernen viele mit der Zeit. Manche Manager sagen: „Ich kann das gut.“ Ja, es stimmt: Ein Mensch kann Dinge gleichzeitig tun. Die Frage ist nur, wie.
Die Wissenschaft ermutigt allerdings nicht gerade, alles gleichzeitig erledigen zu wollen. Denn wenn die Anzahl der gleichzeitigen Aktivitäten zunimmt, sinkt die Genauigkeit, und die Fehlerquote steigt. Das Gehirn verarbeitet die Inhalte nur noch oberflächlich. Das Problem dabei ist, das Gehirn gewöhnt sich daran.
Effektiv ist nur konzentriertes Arbeiten
Konzentrierte Arbeit ist effektive und qualitativ hochwertige Arbeit. Das wird immer schwieriger zu leisten. Multitasking mag Geschwindigkeit vorgaukeln, in Wirklichkeit verlieren wir dabei Zeit, Tiefe und Qualität. Das Flow-Erlebnis, das Aufgehen in einer Tätigkeit, das unser Handeln so effektiv macht, geht verloren. Das ist leicht nachvollziehbar, denn selbst beim Autofahren werden wir schon unkonzentrierter, wenn uns ein Gespräch mit dem Beifahrer ablenkt. Die Folge ist: Die Unfallgefahr steigt.
Multitasking ist nicht produktiv
Wir haben Smartphone, Laptop, E-Mails, Messenger-Dienste, Terminplanungssoftware, alles blinkt und scheppert rund um die Uhr. Digitale Medien sollten unseren Alltag einfacher machen. In der Realität haben sie ihn jedoch ins Unermessliche beschleunigt.
Das betrifft nicht nur erwachsene Arbeitnehmer, schon Jugendliche beschäftigen sich laut einer US-amerikanischen Studie 7,5 Stunden pro Tag mit digitalen Medien. Rund ein Drittel der Zeit (29 Prozent) sind sie auf verschiedenen Kanälen gleichzeitig aktiv.
Dieses mediale Multitasking führt zu einer schlechteren Gedächtnisleistung und mehr Impulsivität. Noch schlimmer ist: In einem Experiment mit Erwachsenen stellten Forscher fest, dass deren kognitive Kapazität deutlich reduziert war, wenn das eigene Smartphone am Tisch lag – wohlgemerkt, ohne benutzt zu werden. Folgerichtig sprechen die Wissenschaftler von einem „Brain Drain“, den digitale Medien verursachen. Gehirnkapazitäten gehen dabei einfach verloren.
Wissensarbeiter müssen sich konzentrieren können
Diese Entwicklung ist fatal, denn in unserer Wissensgesellschaft ist Konzentrationsfähigkeit ein Wettbewerbsfaktor. Kreativität, Innovation, Produktverbesserungen, Erfindungen oder bahnbrechende Forschungsergebnisse sind ohne tief konzentrierte, zusammenhängende Arbeitsphasen nicht möglich.
Ausgerechnet der Computerwissenschaftler Cal Newport hat auf die Bedeutung konzentrierter Arbeit hingewiesen. Er verweist als Grund für seine eigenen Karriere- und Lebenserfolge auf seine Fähigkeit, sich über längere Phasen in Deep Work zu vertiefen, wie er in seinem gleichnamigen Buch schreibt.
Selektivität – das Zauberwort der modernen Arbeitswelt
Deshalb ist es so wichtig, bewusst mit den zahlreichen Ablenkungen in unserer Lebenswelt umzugehen. Das Zauberwort heißt Selektivität. Zentral dafür ist, bewusst die Online-Aktivitäten auf bestimmte Zeitfenster am Tag zu begrenzen. Wer während einer komplexen Aufgabe das E-Mail-Programm offen hat, wird Schwierigkeiten haben, bei der Sache zu bleiben.
Selektiv sein bedeutet aber auch, sich klar dar-
über zu sein, welche Arbeit man priorisiert. Cal Newport plädiert dafür, immer jener Arbeit den Vorzug zu geben, die die höchste Qualifikation erfordert. Routinetätigkeiten – so eine These – sollten von Wissensarbeitern möglichst ausgelagert werden, weil sie keine Wettbewerbsvorteile bringen.
Weniger tun widerspricht unserer Arbeitsethik
Weniger machen widerspricht allerdings unserer Arbeitsethik, selbst wenn wir dafür das Wenige besonders gut machen. Intuitiv möchten wir den Tag mit Arbeit füllen.
Daher reagieren wir auch zunächst recht ungläubig, wenn wir hören, dass Microsoft Japan testweise eine Vier-Tage-Woche eingeführt hat. Das Unternehmen hat Freitag zum freien Tag erklärt sowie Meetings auf 30 Minuten begrenzt. Somit sollten die Angestellten ihre Zeit am Arbeitsplatz effektiver nutzen. Der Test war erfolgreich: Die Produktivität schnellte in die Höhe: Sie stieg gegenüber der Fünf-Tage-Woche um 40 Prozent. Auch die Mitarbeiterzufriedenheit nahm mit dem neuen Modell zu und erwies sich als ausgezeichnet.
Fazit
Möglichst viel in möglichst kurzer Zeit zu machen, also immer weiter zu optimieren, führt in eine Sackgasse.
Der Managementtrainer John Maxwell soll einmal gesagt haben: „You cannot overestimate the unimportance of practically everything“ – Du kannst die Unwichtigkeit von praktisch allem gar nicht überschätzen.
Aufmerksamkeit und Konzentration auf das Wichtige zu richten bringt klare Vorteile, wie ich in meinem Buch „Selbstoptimierung ist auch keine Lösung“ darstelle. Gerade in Zeiten der Pandemie, während der viele von uns besonders mit Mehrfachbelastungen zu kämpfen haben, ist es wichtig, die Zeit am Arbeitsplatz zu begrenzen – und sie gleichzeitig besonders gut und sinnvoll zu nutzen.