Dass Wertschätzung bei Zeiten zu kurz kommt, haben Fabian Essrich und Lukas Menges in ihrem Berufsleben oftmals festgestellt. „Wertschätzung ist wichtig, um Motivation und Leistung von Mitarbeitern zu steigern. Doch im Alltag geht das oft unter oder in falsche Richtungen“, meint Essrich. Der Unternehmensberater aus dem süddeutschen Konstanz erklärt: „Heute bedanken sich Menschen für einen besonderen Einsatz meist verbal, mit Blumen oder einer Tafel Schokolade. Dabei findet die „offizielle“ Wertschätzung in der Regel vertikal statt, sprich von Vorgesetzten zu Mitarbeitern. Damit meint Essrich, dass insbesondere der Einsatz wertgeschätzt wird, den der Chef auch sieht. Der Einsatz unter Kollegen, also auf horizontaler Ebene, ist allerdings genauso wertvoll für Firmen, wird aber leider nur selten von Vorgesetzten gesehen.
Sein Freund Lukas Menges, Inhaber einer IT-Agentur, und er wollten das ändern und haben mit ihrem Unternehmen applaudio ein Tool entwickelt, das Wertschätzung in Unternehmen in alle Richtungen ermöglicht. Nicht nur wollten die beiden Gründer damit dem Thema Wertschätzung in Unternehmen einen neuen Stellenwert geben. Auch wollten sie, dass in Unternehmen jeder Mitarbeiter – ob Führungskraft oder nicht leitender Angestellter – einem Kollegen oder Vorgesetzten Dank aussprechen kann. „Wir wollten auch ein horizontales Feedback möglich machen. Von Mitarbeiter zu Mitarbeiter“, erklärt Essrich. Auch ist es durch das Tool möglich, dass ein Angestellter seinem Chef ein Feedback sendet. „Das Feedback soll für jeden möglich sein. Jeder soll es bekommen und vergeben dürfen.“
Bravo für jedermann
Mit Hilfe des Tools kann nun jeder jedem ein „Bravo“ senden. Dazu geht das sogenannte Bravo, das ein Mitarbeiter versendet, zunächst an die Führungskraft. Diese kann dann beurteilen, ob das Bravo angemessen ist. Erst wenn sie es validiert, erhält es der Mitarbeiter, an den es eigentlich gerichtet ist.
Durch mehrere Regeln, die auf der Plattform gelten, ist gewährleistet, dass die Bravos nicht missbräuchlich vergeben werden. Jeder kann nur eine vorher festgelegte Anzahl an Bravos pro Quartal versenden. Auch müssen die Bravos an eine Leistung gekoppelt sein, die fachlich mit der Arbeit zu tun hat. „Ich kann meinem Kollegen nicht dafür danken, dass er mir eine Cola gebracht hat. Ich kann ihm aber dafür danken, dass er mich im Sales-Meeting mit dem Kunden unterstützt hat.“
Ein Bravo könnte beispielsweise lauten: „Lieber Fabian, danke, dass du mich beim Verkaufsgespräch unterstützt hast. Der Kunde war begeistert. Wir werden das Projekt gewinnen!“, so Essrich.
Sieben Bereiche für Bravos
Bislang kann über das Tool in sieben Kategorien ein Lob ausgesprochen werden. So können Mitarbeiter einem Teamplayer danken, sie können sich für Hilfe bei Kundenkontakten im Sales bedanken oder wertschätzen, dass ein Firmen-Event besonders gut gelungen ist, denn auch das gehöre zu einer wertvollen Leistung für ein Unternehmen, so Essrich. Auch für die positive Vertretung der Firma nach außen, für die Einarbeitung oder für eine Problemlösung können positive Worte verschickt werden. Weitere Kategorien können in das Tool integriert werden, sofern es die Nutzer wünschen. Ziel ist es, auch für Unternehmen mehr Transparenz zu geben, welche Mitarbeiter in welchen Kategorien aktiv sind. Damit können beispielsweise neue Fähigkeiten der Mitarbeiter identifiziert werden und Ressourcen zukünftig besser geplant werden.
Digitale Bravos fördern persönliche Kontakte
Vorbehalte gegenüber der digitalen Wertschätzung kennt Essrich gut. Es gebe oftmals die Befürchtung, dass durch das Portal die persönlichen Kontakte leiden. „Das ist nicht so“, berichtet Essrich. „Wenn mir ein Kollege ein Bravo schickt, gehe ich zu ihm und bedanke mich“, weiß er aus Erfahrung. Es gehöre auch zu einem professionellen Auftreten dazu, dass sich ein Mitarbeiter für die Achtung eines anderen bedankt. „Auch wenn das Bravo digital festgehalten wird, komme ich in den Austausch mit meinen Kollegen.“
Essrich selbst kennt das System mit den Bravos schon lange, und zwar von einem seiner früheren Arbeitgeber, dem amerikanischen Konzern Google. „Ich habe den Eindruck, dass in den USA das System mit einer offiziellen Wertschätzung weiter verbreitet ist als in Deutschland.“ Derartige Tools seien vor allem in amerikanischen Techunternehmen schon etabliert. Die deutsche Kultur sei, so hat Essrich festgestellt, oft skeptischer und weniger offen für neue digitale Lösungen als die amerikanische Kultur.
Wertschätzung sollte zur Normalität werden
Ihr neues Tool, das erst vor wenigen Wochen auf den Markt gekommen ist, haben Essrich und Menges bisher in einigen Unternehmen etabliert. Sie hoffen, dass noch viele weitere Unternehmen die Plattform nutzen werden und sich somit auch eine neue Kultur der Wertschätzung in Unternehmen – vor allem auch in Deutschland – breit macht.
Vermutlich werden vor allem junge Unternehmen – kleine Start-ups oder Unternehmen mit jungem Führungspersonal – ein solches System einführen, ist ihre Prognose. Alteingesessene Unternehmen, davon geht Essrich zumindest aus, werden sich kulturell wohl eher schwer tun, ein solches System einzuführen.
Nichtsdestotrotz könnten Unternehmen jeglicher Größe und Kultur von dem Tool profitieren. Schließlich fördert die Plattform nicht nur eine gute Unternehmenskultur. Auch ermöglicht sie, die Performance eines Mitarbeiters besser zu durchleuchten. „Man sagt nicht mehr verbal danke, sondern über die Plattform.“ Und so bekomme es auch der Chef mit und könne diese Information gewinnbringend in die Firmenkultur oder die Bewertung seiner Mitarbeiter integrieren.
Bravos als Benefits
Auch sei es bereits optional möglich, die Bravos an eine Belohnung, an Benefits, zu koppeln. Mitarbeiter können aktuell, sofern die Firma am Bonusprogramm teilnimmt, für eine gewisse Anzahl Bravos einen Einkaufsgutschein für einen Onlineshop erhalten. „Wir wollen aber weiterdenken“, verspricht Essrich. Es sei denkbar, Bravos in andere Benefits umzuwandeln. Somit könnte, so die Vision von Essrich, ein neues Benefitsprogramm in Unternehmen entstehen.
Aus Essrichs Sicht sind drei Varianten besonders attraktiv. Die Bravos könnten soziale oder grüne Gedanken aufgreifen. So könnten beispielsweise Bravos in Spenden an soziale Einrichtungen umgewandelt werden oder ökologisch investiert werden. Als dritte Möglichkeit kann sich der Berater auch vorstellen, Bravos in Budgets für Weiterbildung umzuwandeln. So könnte das Bravo-Tool mit einer Online-Trainingsplattform verknüpft werden. Auf dieser könnten sich Mitarbeiter dann für ihre Anerkennungen Kurse kaufen. „Generell versuchen wir, das Tool so weiterzuentwickeln, dass es die Bedürfnisse unserer Kunden widerspiegelt“, verspricht Essrich.
Somit hat das neue Tool nicht nur eine direkte Auswirkung auf die Unternehmenskultur, sondern kann auch die Attraktivität eines Arbeitgebers steigern. „Die Zukunft wird zeigen, wie sich die Plattform entwickelt“, zeigt sich Essrich gespannt. Er freut sich, die Plattform in den kommenden Wochen und Monaten gemeinsam mit seinem Kollegen weiterzuentwickeln und dann in weiteren Unternehmen Wertschätzung zu etablieren.