Vertrauen als Basis der Zusammenarbeit
Vertrauen ist für den Erfolg von Unternehmen elementar. Das gilt in den Beziehungen nach außen, sei es zu Kunden, Lieferanten, Banken oder Aktionären. Das gilt aber auch in der Zusammenarbeit innerhalb eines Unternehmens, in Führungs- und kollegialen Beziehungen.
Für die mit New Work verbundenen Flexibilisierungen von Arbeitszeit und -ort ist Vertrauen ein fundamentaler Träger. Das betonen nicht nur zahlreiche Veröffentlichungen, sondern das zeigt sich auch in der Praxis beispielsweise in den aktuellen Homeoffice-Zeiten während der derzeitigen Corona-Krise.
Darüber hinaus sehen Führungskräfte sowie Mitarbeiter Vertrauen in Arbeitsbeziehungen als wünschenswert und als wesentlich für eine gute Kooperation an. Befragungen zeigen jedoch, dass Wunsch und Wirklichkeit teilweise auseinanderklaffen.
Führungsleitlinien als Orientierung
Führungsgrundsätze oder -leitlinien dokumentieren das Führungsverständnis in einer Organisation – im Idealfall ist dies nicht nur in Worten auf dem Papier zusammengefasst, sondern wird auch gelebt. Je nach Organisation umfassen Führungsgrundsätze eine oder mehrere Seiten mit verbindlichen Vorgaben, wie Führungsinstrumente umgesetzt werden sollen. Auf jeden Fall bieten sie eine Orientierung für Führungskräfte und Mitarbeiter.
Untersuchung im Jahr 2020
Doch welche Bedeutung hat Vertrauen in den Führungsleitlinien verschiedener Organisationen? Dieser Frage ging Rupert Bardens in einer Untersuchung im Mai und Juni 2020 nach. Hierfür untersuchte er Führungsleitlinien – auch Führungsgrundsätze oder Führungsleitbild genannt – von 77 Unternehmen, Verwaltungen und Bildungseinrichtungen. Unter den Organisationen waren Bildungsträger mit 100 Mitarbeitern bis hin zu Großkonzernen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Die Organisationen stammten aus der Industrie bzw. dem produzierenden Gewerbe, aus dem Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehungs- und Bildungswesen, Handel, IT und Medien sowie Banken und Versicherungen und der öffentlichen Verwaltung.
Die Aufmerksamkeit in der Auswertung richtete der Untersucher auf folgende Fragen:
- Kommt der Begriff Vertrauen vor?
- Welche Vertrauensbeziehungen sprechen die Organisationen an?
- Welche spezifischen Situationen heben sie im Zusammenhang mit Vertrauen hervor?
- Welche Aussagen gibt es, um Vertrauen entstehen zu lassen und dieses zu erhalten?
- Dokumentieren die Organisationen, was mit Vertrauen erreicht werden soll?
„Vertrauen“ in Führungsleitlinien
Das Ergebnis der Untersuchung zeigt: In 60 Führungsleitlinien der 77 untersuchten Organisationen ist an mindestens einer Stelle von „Vertrauen“ oder „vertrauensvoll“ die Rede; 17-mal geht die Suche nach den Begriffen allerdings ins Leere. Das kann unterschiedlich bewertet werden. Auf jeden Fall ist es erfreulich, dass das Vertrauen bei mehr als drei Viertel der Leitlinien verankert ist. Die Beteiligten an der Leitbildentwicklung hatten das Vertrauen im Blick und bezogen es ein. Eine gelebte Vertrauenskultur ist dennoch nicht automatisch allein dadurch, dass eine Organisation sie im Leitbild festschreibt, in der Praxis gegeben.
Verschiedene Vertrauensbeziehungen
Vertrauensbeziehungen bestehen zwischen Vertrauensgebern und Vertrauensnehmern, zum Beispiel zwischen Mitarbeiter und Führungskraft. In Führungsleitlinien werden verschiedene Beziehungen erwähnt und damit in den Fokus gerückt. Dabei dominieren das gegenseitige Vertrauen in der Zusammenarbeit – in 22 Leitlinien zu finden – sowie das Vertrauen der Führungskräfte in die Mitarbeiter – in 21 Leitlinien vertreten. In wenigen Fällen fand beides Erwähnung.
Fünf Leitlinien haben eine Aussage zum Vertrauen der Mitarbeiter in die Führungskräfte, vier zum Vertrauen zu Arbeitnehmervertretungen und drei zum Vertrauen zwischen Bereichen. 34 Leitlinien haben keine Aussagen zu Vertrauensbeziehungen. Neben den 17, in denen „Vertrauen“ oder „vertrauensvoll“ nicht vorkommen, sind es weitere 17, die zwar das Vertrauen erwähnen, aber offenlassen, zwischen wem es existieren soll.
Fünf Leitbilder heben darüber hinaus Einzelsituationen hervor, die Vertrauen erfordern. Je zweimal wurde Vertrauen beim Auftreten von Fehlern sowie beim Lösen von Problemen und Konflikten markiert, einmal bei Unsicherheit.
Einzelne Vertrauensbeziehungen oder -situationen in den Führungsleitlinien zu exponieren ist ein Weg, die Aufmerksamkeit für bestimmte vertrauenssensible Momente zu schärfen. Im Bewusstsein sollte jedoch sein, dass dieses Her-
ausheben bedeutet, dass Vertrauen „besonders dort“ bedeutet und nicht meint, „sonst ist es nicht so wichtig“.
Vertrauen aufbauen und erhalten
Fast die Hälfte der Führungsleitbilder mit den Begriffen „Vertrauen“ oder „vertrauensvoll“ enthält mindestens eine Aussage, wie die Organisation Vertrauen entwickeln oder erhalten kann. Der Favorit ist die Vorbildfunktion der Führungskraft, die sich in sieben Leitlinien finden lässt. Mit jeweils vier Nennungen folgen Kommunikation/Information, Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit. In je drei Leitbildern nennen die Organisationen Achtung und Respekt sowie Transparenz als vertrauensfördernd, je zwei halten Fairness, Kongruenz von Reden und Handeln sowie konstruktives Feedback als essenziell. Damit zeigt sich in der Gesamtbetrachtung ein bunter Strauß an Maßnahmen und Haltungen, die die Vertrauenskultur fördern können.
Bedeutung des Vertrauens
Ist Vertrauen ein Selbstzweck oder ein Mittel zum Zweck, oder bedeutet beides? In 16 Führungsgrundsätzen finden sich – teilweise mehrere – Aussagen, was Organisationen durch Vertrauen erreichen können oder wollen. Diese Aussagen können größtenteils folgenden vier Clustern zugeordnet werden:
- Förderung der Zusammenarbeit/des Teamgeists
- Erfolg/Zielerreichung
- Initiative/Engagement sowie
- Verantwortungsbereitschaft
Mit Vertrauen wird beispielsweise die Förderung einer konstruktiven oder partnerschaftlichen Zusammenarbeit, des Teamgeistes oder der Teamarbeit im Allgemeinen verbunden. Mit der Verbesserung der Initiative und des Engagements ist auch die Bereitschaft für Veränderungen sowie zum Einbringen von Vorschlägen genannt. In einer Leitlinie wird Vertrauen als Mittel gesehen, um Identifikation zu fördern.
Resümee
Für eine gute Zusammenarbeit ist Vertrauen unabdingbar. In Zeiten von Unsicherheit und zunehmender Veränderungsdynamik bekommt Vertrauen eine immer größere Bedeutung. In den meisten der hier näher betrachteten Führungsleitlinien ist Vertrauen bereits vertreten.
Auch wenn die gelebte Vertrauenskultur wichtiger ist als die dokumentierte, ist zu wünschen, dass gegenseitiges Vertrauen zunehmend in Führungsgrundsätzen Raum findet und damit für das eigene Handeln Orientierung gibt.