Selbstbewusst und entschlossen – so beschreibt Ursula Schwarzenbart, Leiterin Talent Development und Global Diversity Offices beim Automobilkonzern Daimler, die Generation Y und Z. Die beiden Generationen – um die Arbeitgeber gerade händeringend werben und als Mitarbeiter gewinnen wollen – versucht auch Daimler anzulocken. „Sie wissen genau, wie begehrt sie sind, und erwarten ein Stück weit, dass sich die Unternehmen bei ihnen bewerben“, beobachtet Schwarzenbart. Besonders würden die Generationen darauf achten, dass „ihr Arbeitgeber eine gewisse digitale Kompetenz hat, nach welchen Werten das Unternehmen lebt und ob die Arbeitsweise im Unternehmen mit ihrer Life-Balance zusammenpasst“.
Viele Arbeitgeber fragen die Zielgruppe nicht selbst
So wie Ursula Schwarzenbart haben HR-Verantwortliche auch in anderen Unternehmen ein Profil der Generation Y und Z erstellt – wenn auch oft nur auf Grundlage ihrer eigenen Meinung. Eine Studie der Hochschule Ludwigshafen am Rhein und der Beratung Jobactive fand heraus, dass recht wenige Unternehmen sich damit beschäftigen, was für die Generationen wirklich gute Führung bedeutet. Die Unternehmen würden sich oft nicht die Meinungen von der Zielgruppe direkt einholen, sondern von der HR-Abteilung und den Führungskräften. Für die Studie wurden rund 320 Personen befragt, davon 40 Prozent Führungskräfte und jeweils 30 Prozent aus der Generation Y und Z.
Daimler versucht einen anderen Ansatz: „Auf unseren Social-Media-Kanälen sind wir im Austausch mit jungen Menschen und fragen sie, was sie wollen.“ Auch versucht Daimler mit einer Art Assessment-Center, das das Unternehmen in seiner Ursprungsform nicht mehr für zeitgemäß hält, die Bedürfnisse der potentiellen Mitarbeiter herauszufinden: An zwei Tagen kommen interessierte Bewerber und Führungskräfte zusammen, lernen sich kennen und tauschen sich auch darüber aus, was sie erwarten.
Was wollen die Generationen?
Zu den Erwartungen gehört laut der Studie ein partizipativer Führungsstil. In der Studie wird der nichtautokratische Führungsstil als „das Ausmaß, in dem andere bei Entscheidungen beteiligt werden“, definiert. Die Daimler-Managerin schätzt das ähnlich ein: „Das Management setzt auf einen partizipativen Ansatz, das passt am besten zu unserer Arbeit und Kultur.“
Dabei schätzt laut den Studienautoren die Generation Z eine ausgeprägte partizipative Führung noch mehr als die Generation Y. Ursula Schwarzenbart sieht bei dem Führungswunsch keinen Unterschied. Allerdings meint sie, „dass die Generation Y sich noch stärker damit auseinandersetzt, ob sie selbst einmal Führungsverantwortung übernehmen will“.
Daimler versucht mit dem neuen Führungsstil, die potentiellen Mitarbeiter anzusprechen, kann den Stil aber noch nicht in allen Bereichen umsetzen. „Es gibt nicht den einen Führungsstil bei Daimler“, erklärt Schwarzenbart. „Für jeden Bereich, wie Produktion oder Service, braucht man unterschiedliche Ausrichtungen. Wir schätzen einen partizipativen agilen Stil, der sieht in der Produktion aber natürlich etwas anders aus als in der Verwaltung.“
In den Bereichen, in denen die Daimler-Chefs partizipativ führen, legen sie Wert auf flache Hierarchien. „Arbeiten im Schwarm ermöglicht flache Hierarchien und den Umstand, dass alle an den Entscheidungen beteiligt werden. So können die Mitarbeiter noch schneller Projekte bearbeiten“, glaubt die Leiterin der Talententwicklung. „Auch bei dem Thema Geschäftsreisen haben wir mit unserer neuen Führungskultur die Eigenverantwortung der Mitarbeiter gestärkt und dafür viel positive Resonanz von allen Mitarbeitern bekommen.“
Reisegenehmigungen würden konzernweit einfacher laufen, weil die Angestellten keinen Antrag mehr stellen müssten, sondern nur eine mündliche Zusage vom direkten Vorgesetzten bräuchten.
Die Mehrheit hat eine charismatische Führung
Im Gegensatz zu Daimler kommen die Studienautoren zum Ergebnis, dass die meisten der befragten Führungskräfte nach einem charismatischen Führungsstil arbeiten. Demnach streben die meisten eine humanorientierte Führung an, gefolgt von einer teamorientierten Führung. Bei der Generationen Y und Z kommen in der Rangfolge nach dem Wunsch nach einer partizipativen Führung die charismatische und dann die teamorientierte Führung.
Für die Führungskräfte ist es laut der Studie wichtig, dass Mitarbeiter leistungsorientiert arbeiten, sich schnell entscheiden können und wie sie selbst an Regeln und Strukturen festhalten. Danach zu arbeiten ist für beide Generationen jedoch unattraktiv.
Daimler will Generationen mit der Initiative ansprechen
Die Daimler-Chefs legen vor allem auf leistungsorientiertes, inspirierendes und kollaboratives Arbeiten Wert. Die neuen Führungsstile des Automobilkonzerns kamen im Zuge der Initiative „Leadership 2020“ hinzu, die konzernweite Strategie wurde 2016 ins Leben gerufen. Seitdem soll sie die Führungs- sowie Unternehmenskultur verändern. Zum Anfang der Initiative fanden an internationalen Standorten Workshops mit 140 Mitarbeitern und Vorstandsmitgliedern statt, die ein gemeinsames Führungsleitbild entwickelten. Am Ende haben sie acht Führungsprinzipien festgelegt.
Das erste Prinzip ist das Thema Feedback. „Daimler lebt eine offene Feedbackkultur“, erklärt Schwarzenbart. Die Mitarbeiter sollen die Möglichkeit haben, die Führungskräfte zu beurteilen. Um auch über mehrere Standorte hinweg Feedback zu geben, bietet Daimler die App „Echo“ an, mit der man Personen, Meetings, Projekte oder Arbeitsaufgaben bewerten kann.
Das zweite Prinzip, das Performance-Management, beinhaltet Systeme, die die Teamarbeit sowie die eines einzelnen Mitarbeiters bewerten sollen. Auch die Führungsentwicklung gehört dazu. Hierzu zählt zum Beispiel die Onlinelernplattform „Leadership 2020“, die alle Führungskräfte weltweit über die Initiative schult. Zum Prinzip „Best-Fit“ zählt, jede Position immer mit dem geeignetsten Mitarbeiter zu besetzen. Die digitale Transformation steht zum Beispiel für das „Reverse Mentoring“, in dem junge Mitarbeiter als Mentoren für erfahrene Kollegen gelten. Mit der Entscheidungsfindung will Daimler vor allem die Unternehmensprozesse beschleunigen. Ein weiteres Prinzip, das kollektive Denken und Arbeiten im Konzern, soll im Rahmen der Schwarmorganisation gefördert werden. Zum Beispiel entwickeln Mitarbeiter aus China und Brasilien gemeinsam Projekte. Auch führt Daimler als Maßnahme der Initiative die Gründerwerkstatt durch, in der jeder Mitarbeiter seine Ideen einbringen kann.
Doch bei all den Maßnahmen schränkt Ursula Schwarzenbart ein: „Es geht nicht immer ganz so schnell, wie ich das gern hätte, also lernen wir weiter dazu.“ Agile Arbeitsformen lassen sich nicht von heute auf morgen umsetzen.