„An erster Stelle kommt das Gehalt. Das muss ein gewisses Level haben“, ist Prof. Dr. Susanne Krach von der IU Internationalen Hochschule überzeugt. Die Vergütung ist aus ihrer Sicht oft noch ausschlaggebend für die Motivation von Arbeitskräften in Unternehmen. Das zeigen auch Studien wie eine von Stepstone: Kündigungsgrund Nummer 1 bleibt ein zu niedriges Gehalt. Doch die Bezahlung ist nicht alles: Auch wenn Beschäftigte mit der Führung ihres Vorgesetzten unzufrieden sind, kann das dazu führen, dass sie kündigen. Eine schlechte Bewertung des Führungsverhaltens von Vorgesetzten belegt Platz 2 der häufigsten Kündigungsgründe.
Die Professorin für Personalmanagement forscht seit langem zum Thema Mitarbeitermotivation und leitet davon geeignetes Führungsverhalten ab. Ihre Forschungsergebnisse zeigen: Es gibt neben der Bezahlung weitere Aspekte, die die Motivation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern beeinflussen. Vier davon sind besonders wichtig und sollten von Führungskräften beachtet werden:
1. Verantwortung abgeben
Nach Krachs Einschätzung sollten Vorgesetzte Aufgaben und Verantwortlichkeiten delegieren. Das wird in der Praxis oft nicht so gelebt, wie die Professorin aus Gesprächen mit Führungskräften weiß: „Viele Führungskräfte vertreten den Standpunkt, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter überfordert seien, wenn sie sie in Entscheidungen einbinden.“ Dennoch rät die Wissenschaftlerin dazu, Beschäftigte mitbestimmen zu lassen. Mitbestimmung und somit auch Bedeutsamkeit, Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit wünschten sich Mitarbeiter heutzutage.
2. Vertrauen schenken
Einen weiteren Schlüsselfaktor sieht Krach im Vertrauen: „Als Führungskraft muss ich immer einen Vertrauensvorschuss geben.“ Wer seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbinden möchte, müsse ihnen vertrauen. Dazu ist Selbstvertrauen die Voraussetzung. Das Vertrauen könne ebenso wie die Einbindung dazu führen, dass Mitarbeiter sich als wirksam erleben und somit auch ihre Arbeit als bedeutsam wahrnehmen. „Wenn ein Mitarbeiter das Gefühl hat, es war sinnvoll und wichtig, dass er zur Arbeit gegangen ist, dann ist er auch bereit, eine Extrameile für sein Unternehmen zu gehen“, sagt Krach.
3. Beziehung aufbauen
Wichtig für ein gelingendes Miteinander ist aus Krachs Sicht insbesondere die Führungsbeziehung. „Ich darf als Vorgesetzter nicht von oben herab Dinge vorgeben, sondern sollte auf Augenhöhe führen. Eine Beziehung zu meinen Mitarbeitern entsteht nur, wenn wir gemeinsam etwas erreichen möchten.“
4. Kommunikation wertschätzend gestalten
Gute Führung beinhaltet laut Krach auch wertschätzende Kommunikation und eine Fehlerkultur. „Ich muss viel Feedback geben und dialogorientiert führen“, sagt Krach. Damit nähmen aus ihrer Sicht Führungskräfte eine Rolle als Coach ein. Ein Coach dürfe auch Fehler ansprechen und könne dann durch konstruktives Feedback die Kompetenzen seiner Talente stärken.
„Das Verhalten von Führungskräften hat einen enormen Einfluss auf die Motivation von Arbeitnehmern“, betont Krach. Ein Patentrezept gebe es dabei allerdings nicht: „Wenn ich 100 Leute frage, was sie an Führungskräften gut finden, bekomme ich 100 verschiedene Aussagen.“ Gemeinsam sei allen: Wenn sie die Beziehung zur ihrer Führungskraft gut bewerten, sind sie motiviert.
Motivation entsteht über Motive
Hinzu kommt, dass Motivation entsteht, wenn bei Menschen die richtigen Motive angesprochen werden. Diese Motive, also das, was Menschen antreibt, seien dabei höchst individuell. Während Mitarbeiter A motiviert ist, wenn er komplexe Sachverhalte lösen kann, motiviert es Mitarbeiterin B möglicherweise, wenn sie in einem tollen Team arbeitet. Mitarbeiterin C dagegen wird durch eine Projektprämie zur Höchstleistung animiert. „Als Führungskraft muss ich diese Motive kennen und bedienen. Dazu brauche ich viel Rückmeldung aus meinem Team und ein konstruktives Miteinander.“
Krach weiß aber auch, dass Führen in der heutigen hybriden Arbeitswelt keine leichte Aufgabe ist. „Führen erfordert heutzutage eine gewisse Ambidextrie“, meint sie und erläutert, dass Vorgesetzte „beidhändig“ agieren müssten: Mit einer Hand müssen sie die Umsetzung von Aufgaben steuern, Ziele setzen und Prioritäten definieren. Mit der anderen Hand müssen sie ihre Mitarbeiter befähigen, kreativ zu arbeiten. Das bedeutet, sie müssen Plattformen für kollaborative Zusammenarbeit und Freiräume wie Open Spaces und Design-Thinking schaffen.
Während sich die erste Aufgabe – das Umsetzen –, auch hybrid oder mit Beschäftigten Im Homeoffice erledigen lasse, brauche es für die zweite Aufgabe – die Exploration – eine Zusammenarbeit in Präsenz. Das sollten Führungskräfte wissen. Krach empfiehlt: „Wenn ich meine Mitarbeiter zur Höchstleistung stimulieren, sie zu Innovationen und Kreativität anregen möchte, muss ich ein ausgewogenes Verhältnis von Präsenz- und virtueller Zusammenarbeit finden.“
Führungspersönlichkeit entscheidend
Aus ihrer Sicht nehmen Führungskräfte eine „flankierende Rolle“ ein: Sie geben den Rahmen vor, lassen ihren Talenten innerhalb dieser Leitplanken Freiraum, um sich selbst zu organisieren, und steuern bei Bedarf. Dazu müssen Führungskräfte loslassen können von alten Kontrollmustern oder Machtdenken und ein „wir gemeinsam“ statt „ich über euch“ vorleben.
In traditionellen Unternehmen herrscht laut Krach jedoch oft noch eine Kultur, in der mehr Managen als Führen eingefordert wird. „Hier wollen die Mitarbeiter häufig noch ein klares Managen von oben.“
Das sei in jungen oder agilen Unternehmen anders. In diesen seien die Führungskräfte aus Krachs Sicht wirkliche Führungspersönlichkeiten, die ihre Mitarbeiter inspirieren, ihre individuellen Motive berücksichtigen und befähigen, kreativ und innovativ zu denken und handeln. Und dies lebt die Führungspersönlichkeit selbst authentisch vor.
Kirstin Gründel