Virtuelles und hybrides Zusammenarbeiten ist komplex
Virtuelle Zusammenarbeit von Teams wird in Zukunft immer mehr gefragt sein. Doch nicht nur dieser Herausforderung müssen sich Führungskräfte stellen. Auch hybride Teamarbeit, also das Zusammenarbeiten von Arbeitnehmern im Büro mit Kollegen ebenfalls im Büro sowie an anderen Standorten oder im Home-Office, wird künftig zunehmen.
Leader müssen sich darauf einstellen und die Schwierigkeiten kennen, damit sie ihre Teams erfolgreich führen können. Das ist keine leichte Aufgabe, zumal mit zunehmender Teamgröße und Verbreitung virtuellen Arbeitens die Zusammenarbeit immer vielfältiger wird. Gerade das hybride Teaming ist infolge unterschiedlicher Formen des Zusammenarbeitens herausfordernd. „Als Führungskraft muss ich mir dieser Komplexität bewusst sein“, sagt Beatrice Fehling, systemische Beraterin der Organisationsberatung Spurwechsel.
Herausforderungen für Führungskräfte
Beim Führen über Distanz gibt es zwei große Herausforderungen:
- Zum einen muss die Kollaborationsebene stimmen. Die fachliche Kommunikation muss funktionieren, Informationen müssen fließen, Entscheidungen getroffen werden. Dafür braucht es technische Tools, die die Menschen auch beherrschen. „In der Belegschaft kann es dabei schnell zu einem Altersgefälle kommen“, warnt Fehling: Auf der einen Seite stünden die Digital Natives, die mit „Trial and Error“ jedes neue Tool erlernen, auf der anderen Seite die älteren Mitarbeiter, denen es vergleichsweise schwerer fällt, mutig mit neuen Tools umzugehen. Sie halten oft an herkömmlichen Werkzeugen fest. Diese Diskrepanz müssen Leader erkennen, mit den Mitarbeitern ins Gespräch gehen und alle Kompetenzen wertschätzen: die langjährige Erfahrung im Business ebenso wie die digitalen Skills.
- Zum anderen müssen Leader die emotionale Beziehungsebene im Blick haben. Missverständnisse kann es bei jeder Kommunikation geben. Doch Mails als weitverbreitetes Kommunikationsmittel in virtuellen Teams sind oft keine Dialoge, sondern Monologe. Zudem übermitteln sie zumeist reine Informationen; emotionale Botschaften gehen verloren. Missverständnisse werden dadurch oft erst zeitversetzt erkannt. „Beim virtuellen Führen wird jeder Führungsfehler doppelt bestraft“, warnt Fehling daher. Über Medien wie Videokonferenzen könnten dagegen neben Sachinformationen auch Mimik und Körpersprache des Gegenübers vermittelt werden. Das kann den Vertrauens- und Beziehungsaufbau im Team fördern und helfen, Distanz zu überwinden.
Fünf Tipps für Führungskräfte
Damit das Führen auf Distanz oder auch das Führen hybrider Teams gelingt, sollten Führungskräfte zwei Seiten beachten, und zwar die Produktivität und die Stimmung im Team. Folgende Tipps können dabei helfen:
- Produktivität: Eine Führungskraft muss immer den Output ihres Teams im Blick haben. Dabei hilft es, die Komplexität der virtuellen oder hybriden Teams offen zu benennen und die Teams regelmäßig zu fragen, was erfolgreich läuft und beibehalten werden soll und was geändert werden muss, um noch produktiver zusammenarbeiten zu können.
- Regelkommunikation: Ein entscheidender Punkt ist eine gute Regelkommunikation. Das kann schwierig sein, denn gerade im Home-Office beginnt eine Mitarbeiterin möglicherweise früh morgens, während ein Mitarbeiter lieber später am Tag arbeitet. „Je mehr Dynamik es im Team gibt, umso mehr Struktur muss der Leader geben“, empfiehlt Fehling. So könne eine Führungskraft jeden Tag zu einer bestimmten Zeit ein kurzes Stand-up-Meeting einberufen; wenn es nicht so viel Neues gebe, reichten möglicherweise auch etwas längere virtuelle Meetings alle ein bis zwei Wochen aus. Bei den Meetings sollte jeder die Gelegenheit haben, kurz seinen Fortschritt zu präsentieren und eventuelle Schwierigkeiten zu skizzieren. Auch können Ziele definiert werden, denn nur mit klaren Zielvorgaben kann ein virtuelles Team erfolgreich handeln.
- Feedback: Die Regelkommunikation darf nicht nur im Team stattfinden, sondern sollte auch 1:1-Gespräche umfassen. „Feedback ist ein wichtiger Baustein beim virtuellen Leadership“, stellt Fehling fest. Dabei sollte das Feedback nicht nur in eine Richtung gehen, sondern „Leader müssen auch fragen: ,Was gefällt dir gut, und was brauchst du wie anders?‘“.
- Virtuelles Teaming: Neben den formellen Treffen sollten Leader auch informelle Treffen einplanen. Das können strukturierte Treffen wie gemeinsame Mittagessen sein, aber auch unstrukturierte Treffen. Fehling empfiehlt Leadern, bei den Themen der Mitarbeiter genau hinzuhören und sie in Peer-Groups zusammenzubringen. „Eine Führungskraft, die sieht, dass mehrere Mitarbeiter den Spagat zwischen eigenem Beruf und Home-Schooling der Kinder hinbekommen müssen, kann sie zu kollegialem Austausch anregen.“ Zu deren Vernetzung kann sie zum Beispiel zwei Stunden pro Woche anbieten. Auch kann es sinnvoll sein, gemeinsame Präsenztage einzuführen als Anker, damit sich Kollegen begegnen. „Virtuelles Teaming gehört zur Kompetenz des virtuellen Führens“, sagt Fehling. Das falle in Unternehmen oft hinten runter, sei aber wichtige Grundlage, um Vertrauen aufzubauen und eine Teamidentität zu schaffen – eine zentrale Aufgabe des Leaders.
- Lösungsorientiertheit: Wichtig ist auch, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter anregen und qualifizieren, selbst im Team Lösungen zu finden und nicht bei jeder Schwierigkeit den Chef zu konsultieren.
Zukunftstrend: hybride Zusammenarbeit
Der Trend zum virtuellen und auch hybriden Zusammenarbeiten wird sich künftig verstärken. Fehling empfiehlt Führungskräften daher: „ Leader haben jetzt die Aufgabe, das Virtuelle zu entwickeln. Das ist eine aktuelle Changeaufgabe.“ Unternehmen könnten dabei doppelt profitieren, denn wer gelernt habe, in einem virtuellen Team zu arbeiten, könne auch mit Kunden virtuell gut umgehen.
Virtuelle Teamarbeit setzt nicht nur einen Wandel bei Leadern und Mitarbeitern voraus, sondern auch einen Kulturwandel im Unternehmen. Das Arbeiten in virtuellen Teams muss in die Organisation eingebunden, und es müssen technische, organisatorische und personelle Rahmenbedingungen geschaffen werden. HR sollte die Mitarbeiter und Führungskräfte auf diesen Wandel vorbereiten, denn es braucht einen geplanten Veränderungsprozess. Die Wichtigkeit einer kompetenten Teamleitung sollte in diesem Prozess jeder HR-Abteilung bewusst sein.
Beatrice Fehling, Organisationsberaterin der Beratung Spurwechsel, rät Leadern, jetzt den Change zu wagen und die Weichen für virtuelles und hybrides Führen zu stellen.
Kirstin Gründel, Redakteurin HR-Publikationen, F.A.Z. Business Media