Ein Blick auf die deutsche Wirtschaft zeigt: Auf der einen Seite stehen Konzerne, Großunternehmen und Start-ups. Diese sprechen nicht mehr von Personalarbeit, sondern von HR, manchmal sogar von People & Culture. Unternehmensstrategie, -kultur und aktives Talentmanagement spielen in diesen Unternehmen eine wichtige Rolle. HR steht nicht mehr nur für Human Resources, sondern – wenn man so will – für „Höhere Rangordnung“: Personalarbeit hat somit eine zentrale Rolle.
Auf der anderen Seite stehen Mittelstandsbetriebe mit Fokus auf Produkten und Dienstleistungen. Nur wer Produkte entwickelt, produziert und verkauft, findet innerhalb dieser Unternehmen Gehör. Die Personalabteilung soll die Bürokratie entlasten und ist vor allem für Gehaltsabrechnungen, Urlaubsanträge und Arbeitszeitnachweise zuständig.
Deutscher Mittelstand weltbekannt
Natürlich präsentiert sich die Realität vielschichtiger als in dieser Schwarz-Weiß-Darstellung. Es gibt Mittelständler, die ihre Personalabteilungen bereits in ihre Unternehmensstrategie einbezogen haben, genauso wie Großkonzerne, für die HR nur ein KPI ist. Dennoch: Ein ganzheitliches Modell, bei dem der Mitarbeiter sowohl als Mensch als auch als Ressource gesehen wird und der HR-Bereich gleichermaßen strategisch und operativ agiert, ist in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMUs) in Deutschland noch ausbaufähig.
Dennoch gilt der Mittelstand in Deutschland gemeinhin als „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“. Zum Mittelstand zählen vor allem Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeitern. Oft haben sie viel weniger Personal. Was diese Unternehmen mitunter weltbekannt gemacht hat, ist deren Qualitätsarbeit. „Made in Germany“ ist ein weltbekanntes Gütesiegel. Doch was ist die treibende Kraft des deutschen Mittelstandes? Sind es lediglich seine Produkte? Oder sind es die Köpfe, die hinter den Produkten stehen?
Die Logik der Personalarbeit
In der klassischen Aussagenlogik haben wir es in der Regel mit zwei Prämissen zu tun, auf die eine daraus abgeleitete Konklusion folgt. Eines der bekanntesten Beispiele hat einen berühmten griechischen Denker zum Gegenstand. Die logische Aussage lautet da wie folgt:
- Prämisse 1: Alle Menschen sind sterblich.
- Prämisse 2: Sokrates ist ein Mensch.
- Schlussfolgerung: Sokrates ist sterblich.
Auf diese Weise lassen sich nicht nur offenkundige Tatsachen belegen wie in dem eben genannten Beispiel, sondern auch Zusammenhänge und Kausalketten, die vielleicht nicht auf den ersten Blick einleuchten.
Um die Argumentation in diesem Text zu stützen, greifen wir ebenfalls auf die Aussagenlogik zurück. So wird zum Beispiel sichtbar, was den deutschen Mittelstand im Innersten zusammenhält.
- Prämisse 1: Der deutsche Mittelstand ist das Rückgrat der deutschen Wirtschaft.
- Prämisse 2: Unternehmen sind nur so gut wie ihre Mitarbeiter.
- Prämisse 3: Gute Mitarbeiter gewinnt und bindet man durch gute Personalarbeit.
- Schlussfolgerung: HR ist das eigentliche Rückgrat der deutschen Wirtschaft.
Die angeführten Prämissen sind allesamt Grundwahrheiten, über die sich Wirtschaft, Medien, Statistik und Politik einig sind. Daraus ergibt sich schlussfolgernd, dass dem Personalwesen eine entscheidende Rolle zukommt. Ob man HR nun als Rückgrat bezeichnen möchte oder nicht, ist am Ende zweitrangig.
Der moderne Ansatz für HR
Es gehört zu den ureigensten Aufgaben von HR, sich mit dem eigenen Personal auseinanderzusetzen. Doch auf welche Weise und in welchem Umfang? In vielen mittelständischen Unternehmen herrscht eine herkömmliche Denkart: Das Personalwesen soll hauptsächlich Verwaltungsaufgaben übernehmen. Der Abteilungserfolg wird – etwas überspitzt formuliert – daran gemessen, wie viele Dokumente erstellt, bearbeitet und abgeheftet wurden. Der moderne HR-Ansatz ist ein ganz anderer: Es gilt gutes Personal zu rekrutieren, dieses durch verschiedene Programme und Anreize zu halten sowie über entsprechende Maßnahmen weiterzuentwickeln. Der Mitarbeiter ist in diesem Szenario nicht nur Arbeitskraft, sondern Kapital, das durch eine intelligente „Anlagestrategie“ an Wert gewinnt. Dadurch nimmt HR erheblichen Einfluss auf den Unternehmenserfolg, was sich auch anhand Dutzender HR-Kennzahlen messen lässt.
Eine Aufwertung von HR
Das Manager Magazin malte bereits vor einigen Jahren unter dem Titel „Personaler – der zweitwichtigste Job im Unternehmen“ ein interessantes Zukunftsbild: „Warum der HR-Chef nach dem CEO den zweitwichtigsten Job im Unternehmen haben könnte“, hieß es da. Personal und Führung würden zu den strategischen Fragen schlechthin gehören.
Zwar ging es in dem Plädoyer in erster Linie um Konzernstrukturen, doch die Diagnose trifft genauso auf den kleinen Mittelstand zu: „In vielen Personalabteilungen“, so der Autor, „herrschen leider immer noch die Lohnbuchhalter.“
Das ist mitnichten eine Kritik an Buchhaltern. Auch diese würden wahrscheinlich mehrheitlich unterschreiben, dass eine Personalabteilung sich nicht nur mit Zahlen und Tabellen beschäftigen sollte.
Das Personalwesen wird erst im Verbund mit der Geschäftsführung seine ganze Schlagkraft entfalten. Nur wenn Unternehmensziele und -strategien mit der Personalbeschaffung, -verwaltung und -entwicklung abgestimmt sind, sind KMUs zukunftsfähig.
Oliver Jeges, Senior Manager Marketing & Communication, HRworks