In Deutschland ist nach Angaben des Statistischen Bundesamtes etwa jeder 14. Arbeitnehmer über 25 Jahren befristet beschäftigt (aktuellste Zahlen von 2019). Die sachgrundlose Befristung hat sich in den vergangenen Jahren zu einem beliebten und einfach umzusetzenden Instrument zur Flexibilisierung in Unternehmen entwickelt. Doch dieses Recht will die Bundesregierung nun einschränken. Sie hat bereits im Koalitionsvertrag 2018 formuliert, sachgrundlose Befristungen abschaffen zu wollen, um Missbrauch zu vermeiden. Dieses Ziel verfolgt sie auch während der Coronapandemie weiter. Kurz vor Ende der Amtszeit der aktuellen Bundesregierung hat das Bundesarbeitsministerium nun Mitte April 2021 einen Entwurf vorgelegt, der die Änderung des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) enthält. In diesem Entwurf sind im Wesentlichen folgende Einschränkungen der sachgrundlosen Befristung und der sogenannten Kettenbefristung enthalten:
- Begrenzung der Höchstdauer: Bisher beträgt die Dauer einer sachgrundlosen Befristung maximal zwei Jahre. Zukünftig soll die maximale Dauer der sachgrundlosen Befristung um sechs Monate auf 18 Monate reduziert werden.
- Reduzierung der Anzahl der Verlängerungen: Nach den derzeit geltenden Regelungen des TzBfG darf ein sachgrundlos befristetes Arbeitsverhältnis – innerhalb der Höchstdauer von zwei Jahren – maximal dreimal verlängert werden (zum Beispiel viermal sechs Monate). Jetzt soll – innerhalb der dann geltenden Höchstdauer von 18 Monaten – nur noch eine Verlängerung möglich sein (beispielsweise zweimal neun Monate).
- Sachgrundlose Befristung bleibt Ausnahmeregelung: Die sachgrundlose Befristung soll eine Ausnahmeregelung bleiben und nur bei Neueinstellungen möglich sein.
- Dreijahreszeitraum – mehr Rechtssicherheit bei der Zuvor-Beschäftigung: Es soll gesetzlich geregelt werden, dass die „Zuvor-Beschäftigung“ mit einem Zeitraum von drei Jahren festgelegt werden soll. Das bedeutet, dass ein Arbeitnehmer bei demselben Arbeitgeber nach Ablauf von drei Jahren wieder sachgrundlos befristet beschäftigt werden darf. Nach der derzeitigen gesetzlichen Regelung gibt es keine zeitliche Grenze, und auch ein 30 Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis stünde einer sachgrundlosen Befristung entgegen.
- Einführung einer Quote: Arbeitgeber mit mehr als 75 beschäftigten Arbeitnehmern dürfen maximal 2,5 Prozent der Belegschaft sachgrundlos befristen. Bei 400 Beschäftigten dürfen lediglich zehn Arbeitnehmer gleichzeitig sachgrundlos beschäftigt sein. Bei Überschreiten dieser Quote gilt jedes weitere sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnis als unbefristet abgeschlossen. Eine solche Maximalquote gibt es derzeit im TzBfG nicht.
- Abschaffung von „Kettenbefristungen“: Befristungen sollen nach den Regelungen des Referentenentwurfs nicht mehr zulässig sein, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein Arbeits-oder Leiharbeitsverhältnis mit einer Gesamtdauer von fünf oder mehr Jahren bestand. Auch eine solche maximale Befristungsdauer für Sachgrundbefristungen gibt es bisher im TzBfG nicht.
- Erleichterung bei Renteneintritt: Bei Befristungsvereinbarungen zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Erreichen der gesetzlichen Regelaltersrente soll die Höchstdauer von fünf Jahren nicht gelten.
- Einführung einer Zitierpflicht: Die Befristungsabrede muss nach den derzeitigen Regelungen des TzBfG schriftlich vereinbart werden. Der Grund für die Befristung, sachgrundlos oder ein konkreter Befristungsgrund, musste bisher nicht schriftlich benannt werden. Zukünftig muss zumindest angegeben werden, ob es sich um eine sachgrundlose Befristung handeln soll. Fehlt diese Angabe, kann sich der Arbeitgeber bei Streitigkeiten nicht auf eine solche Befristung berufen. Ist aber eine sachgrundlose Befristung im Arbeitsvertrag angegeben, kann der Arbeitgeber sich – anders als derzeit – im Falle einer solchen unwirksamen Befristung nicht mehr auf das Vorliegen eines Sachgrundes berufen. Damit entfällt die in der Vergangenheit häufig in der Praxis genutzte „Fallschirmlösung“ für Arbeitgeber, sich auf einen Sachgrund berufen zu können, wenn die sachgrundlose Befristung aus einem Grund scheiterte.
- Tarifvertragliche Ausnahme: Wie bisher darf durch Tarifverträge von dem gesetzlichen Befristungsrecht abgewichen werden. § 14 Abs. 2 Satz 3 des TzBfG-Referentenentwurfs lässt eine tarifvertragliche Abweichung mit einer Höchstlaufzeit von 54 Monaten und einer maximal dreimaligen Verlängerung zu.
Aufgrund der klaren Absprache schon im Koalitionsvertrag ist damit zu rechnen, dass das Gesetz – in ähnlicher Form, wie im Referentenentwurf beschrieben – noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet und am 1. Januar 2022 in Kraft treten wird. Die Regelung bezüglich einer vorangegangenen Beschäftigung sorgt für Rechtssicherheit und ist mit Blick auf die ergangenen Entscheidungen von Bundesarbeits- und Bundesverfassungsgericht zu begrüßen. Jedoch wird die wirksame Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung durch die Einführung einer Quote sowie durch die Reduzierung der Anzahl der Verlängerungen ohne überzeugende Argumente zu Lasten der Arbeitgeber stark eingeschränkt. Nachdem schon der Einsatz von Leiharbeitnehmern vor einigen Jahren für Arbeitgeber signifikant eingeschränkt wurde, werden die Änderungen des Befristungsrechts für eine weitere Einschränkung der Flexibilisierungsmöglichkeiten beim vorübergehenden Einsatz von Arbeitskräften sorgen. Die „Überwachung“ der Einschränkungen des Gesetzes wird hohen zusätzlichen administrativen Aufwand erfordern. Dazu gehört auch, dass Arbeitgeber mit mehr als 75 Arbeitnehmern den Betriebsrat am ersten Kalendertag jedes Quartals über die Anzahl der Arbeitnehmer zu informieren haben, die sachgrundlos befristet beschäftigt sind.
Viele Prozesse müssen neu aufgesetzt werden, damit Verstöße gegen das neue Gesetz nicht zu Nachteilen von Arbeitgebern führen, insbesondere zum Entstehen unbefristeter Arbeitsverhältnisse, beispielsweise bei Überschreiten der Quote. Die Beendigung von dadurch entstehenden unbefristeten Arbeitsverhältnissen ist dann nur durch eine Kündigung möglich, die nicht nur den vielfältigen Anforderungen des Kündigungsschutzgesetzes, sondern auch allen sonstigen formalen Anforderungen genügen muss.
Für Arbeitgeber werden in Zukunft andere Flexibilisierungsinstrumente wie Fremdvergabe, freie Mitarbeit oder auch Befristung mit Sachgrund, beispielsweise wegen vorübergehenden Bedarfs, zur Vertretung oder zur Erprobung, wieder an Bedeutung gewinnen.
Markus Künzel und Dr. Erik Schmid, Rechts- und Fachanwälte für Arbeitsrecht, Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH