Zweifel an Schulungen
Vielfach wird argumentiert, Führen sei eine natürliche Begabung, die der eine Vorgesetzte habe und der andere eben nicht. Schulungen könnten daran nicht viel ändern. Man müsse zudem bedenken, dass Wettbewerbsdruck, Shareholder-Erwartungen, Change-Prozesse und tagesaktuelle geschäftliche Prioritäten den Vorgesetzten wenig Freiraum für Nebenaufgaben ließen. Auch seien die Arbeitsbedingungen in Deutschland so gut wie nie zuvor, psychische Belastungen folglich Privatsache der Betroffenen, auf die ein Vorgesetzter ohnehin kaum Einfluss habe.
Belastungen im Erwerbsleben
Dass Erwerbsarbeit großes gesundheitsförderliches Potenzial besitzt und einen wesentlichen Eckpfeiler sozialer Teilhabe darstellt, dürfte unstrittig sein. Nichtsdestotrotz lassen die Statistiken der Krankenkassen oder die Zahl der krankheitsbedingten Rentenzugänge zweifelsfrei erkennen, dass die Beschäftigten häufig auch gesundheitlichen Belastungen ausgesetzt sind. Zahlreiche Erhebungen belegen, dass dem Setting Arbeitsplatz insbesondere bei der Entstehung psychischer Erkrankungen eine ursächliche oder mitursächliche Bedeutung zukommt.
Großes Gewicht haben dabei die sozialen Kontexte, also das kollegiale Miteinander und – an erster Stelle – das Führungsverhalten der Vorgesetzten. Psychische Erkrankungen münden letztendlich meist in überdurchschnittlich lange Arbeitsunfähigkeitszeiten, die in Zeiten knapper personeller Ressourcen die Kontinuität betrieblicher Abläufe in Frage stellen können. Die fortschreitende Entwicklung zur Dienstleistung, die Globalisierung und die Digitalisierung der Betriebe lassen erwarten, dass die Problematik weiteres Gewicht in den Unternehmen bekommt.
Verantwortung wahrnehmen
Im hierarchischen Gefüge einer Organisation tragen die Führungskräfte die Verantwortung dafür, Arbeitsumgebung, Arbeitsmenge und -inhalte, Arbeitsorganisation, Kooperation und Kommunikation und andere Bereiche gesundheitsgerecht zu gestalten. Das schließt einen sozialkompetenten, empathischen Umgang mit den Beschäftigten ein. In diesem Sinne bedeutet Führen primär nicht, Prozesse und Prozeduren fachlich zu steuern oder Anlagen und Maschinen zu managen, sondern Mitarbeiter mit all ihrer Individualität, unterschiedlichen Resilienz und gesundheitlichen Leistungsfähigkeit zu leiten. Führen lässt sich demnach als Kernaufgabe von Führungskräften bezeichnen.
Erfolg durch Qualifizierung
Ein professionelles Coaching der Vorgesetzten zu gesundem Führen darf daher als essenzieller Beitrag zum Gesundheitsschutz angesehen werden. Dieser kommt nicht nur unmittelbar betroffenen Beschäftigten zugute, sondern unterstützt den erfolgreichen Ablauf geschäftlicher Prozesse und damit das wirtschaftliche Ergebnis des Unternehmens. Denn dessen Erfolg wird wesentlich von der Leistungsbereitschaft und gesundheitlichen Leistungsfähigkeit der Beschäftigten beeinflusst. Burnout und andere psychische Erkrankungen wirken sich negativ darauf aus, lange bevor dies durch eine Krankschreibung betrieblich sichtbar wird. Insofern stellt eine niedrige Krankenquote nicht unbedingt einen verlässlichen Indikator für die psychische Gesundheit der Beschäftigten dar.
Mitunter werden Schulungen zu gesundem Führen als Hindernis betrachtet, das aktuelle Veränderungsprozesse und deren Geschwindigkeit beeinträchtigt. Aus fachlicher Sicht ist jedoch dazu zu raten, das Thema Gesundheit insbesondere in einer unruhigen betrieblichen Phase nicht aus den Augen zu verlieren. Auch wenn sich in einem Unternehmen Arbeitsunfälle häufen, wird ein Arbeitgeber vernünftigerweise nicht erst dann präventiv intervenieren, wenn die Unfallrate bereits wieder gesunken ist und er genügend Zeit und Ruhe für geeignete Maßnahmen hat.
Schulungsinhalte
Dass die grundsätzliche Fähigkeit, Menschen zu führen, unterschiedlich ausgeprägt ist, überrascht ebenso wenig wie eine Divergenz der fachlichen Qualifikationen. Genauso wie in fachlichen Qualifizierungsmaßnahmen bieten Trainings die Möglichkeit, Führungskompetenzen zu entwickeln. Die Bereitschaft, Vorgesetzte zu gesundem Führen zu animieren und zu qualifizieren, setzt allerdings eine Unternehmenskultur voraus, die dem Thema Wert beimisst, so dass es bei allen geschäftlichen Prozessen berücksichtigt und in Personalgesprächen und Zielvereinbarungen strukturiert thematisiert wird.
Seminarerfahrung lehrt, dass es bei der Führungskompetenz mitunter große Gaps gibt, an deren Beseitigung die Teilnehmer selbst stets großes Interesse zeigen. Trainings sollen den Vorgesetzen ein breites Verständnis für die gesundheitlichen Zusammenhänge im Betrieb ermöglichen. Neben Handlungs- und Sozialkompetenz sind Awareness für kausale Zusammenhänge und ein stabiler Wissenshintergrund zum Thema erforderlich. Geeignete Inhalte zielgerichteter Schulungen können sein:
- Wirkzusammenhänge zwischen Führungshandeln und Gesundheit
- Gesetzliche Anforderungen an den betrieblichen Gesundheitsschutz
- Burnout und andere Erkrankungen im Arbeitsumfeld
- Einflussmöglichkeiten auf Arbeitsunfähigkeit und Präsentismus
- Rollen und Rollendilemmata der Führungskraft im betrieblichen Arbeitsschutz
- Bedeutung der eigenen Gesundheit der Führungskräfte
- Umgang mit schwierigen Führungs- und Belastungssituationen
- Soziale Kontextfaktoren bei der Arbeit, Konfliktmanagement
- Return-to-Work-Prozeduren wie betriebliches Eingliederungsmanagement
- Kommunikation, Kritik und Wertschätzung in einer betrieblichen Offenheitskultur
- Charakteristik unterschiedlicher Führungsqualitäten
- Austausch zu eigenen Erfahrungen und Klärung individueller Fragen
Domäne von Präsenztrainings
Zwar bieten E-Learnings ein großes Maß an Orts- und Zeitflexibilität, gewährleisten die vollständige Einheitlichkeit von Schulungsinhalten und streben mit Lernerfolgskontrollen eine gewisse Nachhaltigkeit an. Aber das Thema „gesundes Führen“ lässt sich nur unzureichend in einem elektronischen Format abbilden, weil primär die grundsätzliche Handlungskompetenz und Sozialkompetenz der Teilnehmer zu fördern sind.
Classroom-Trainings bieten durch die Möglichkeit der Interaktion der Teilnehmer einen breiten, gegenseitigen Erfahrungsaustausch, authentische Praxisbeispiele können diskutiert werden, und das Führungsverhalten kann real trainiert werden. Voraussetzungen sind selbstverständlich die praxisrelevante, betrieblich verwendbare Auswahl von Schulungsinhalten und -methoden sowie die fachliche Kompetenz der Trainer.