KI dient als Sammelbegriff für die Techniken, mit deren Hilfe ein Computer Aufgaben erledigen kann, für die ein Mensch seine Intelligenz benutzen muss. Diese Definition legt das Autorenteam von KPMG in seiner Studie „Wertschöpfung neu gedacht“ zugrunde. Sie enthält eine klare Ausrichtung auf die Zukunft, und deshalb mahnen die Studienautoren an, bei zukunftsbezogenen Maßnahmen und Strategien für ein Unternehmen immer den Blick auf zukünftige Trends zu richten. Von künstlicher Intelligenz erwarten sie in den kommenden Jahren deutliche Entwicklungsfortschritte und damit auch einen stärkeren Einfluss dieser Technologie auf das Wirtschaftsleben.
Nun handelt es sich bei KI nicht um eine einzige Technologie, sondern um ein ganzes Konsortium aus miteinander verknüpften Lösungen und Prozessen, verbunden durch die Kapazität, auf große Datenmengen zuzugreifen und sie zu verarbeiten. Verbesserte Algorithmen ermöglichen dank hoher Rechenkapazitäten Lernprozesse über Datenanalysen. Gerade diese Komplexität verleiht der KI auch eine gesellschaftliche und politische Relevanz. Sie muss nicht unbedingt der menschlichen Intelligenz nachgebildet sein, sondern kann auch anderen Wegen oder Formen folgen und zu erfolgreichen Ergebnissen führen. Darin liegt der Kern eines Risikos: Wenn KI nach Mustern und Prozessen abläuft, die uns nicht bekannt sind, wird es für uns schwierig oder nicht möglich sein, sie zu kontrollieren.
Von der schwachen zur starken KI
Generell ist künstliche Intelligenz bislang darauf ausgerichtet, die menschliche Intelligenz abzubilden. Auch wenn die Möglichkeiten noch längst nicht ausgereift sind, übertrifft sie auf manchen Feldern bereits klar das menschliche Vorbild. Folgende Aspekte sind im Hinblick auf intelligentes Handeln nach menschlichem Vorbild wichtig:
- die Umgebung wahrnehmen
- die erfassten Komponenten verstehen
- zielgerichtet und sinnvoll handeln
- lernen mit Hilfe der vorhandenen Informationen
Diese Aspekte lassen sich miteinander verbinden, so dass das Ergebnis eine schier endlose Zahl von Anwendungen künstlicher Intelligenz ist. Die Studienautoren führen exemplarisch die relevantesten Möglichkeiten für einen Einsatz und für Ergebnisse und Handlungen zusammen. Dazu zählen unter anderem autonomes Sprechen und Schreiben. Zur Anwendung können diese Kompetenzen kommen, indem sie beispielsweise Sprache in Text umwandeln und in Chatbots eingesetzt werden.
Bislang kommt vor allem die Variante der schwachen künstlichen Intelligenz zum Einsatz. Sie unterstützt kognitive Prozesse des Menschen, wenn es darum geht, abgegrenzte, klar definierte Einzelprobleme zu lösen. Die schnelle technische Entwicklung lässt erwarten, dass künstliche Intelligenz in Zukunft über das bisherige Aufgabenspektrum hinausgehen wird. Bald haben wir es – so die Studienautoren – mit denkenden Einheiten, sogenannten Thinking Entities, zu tun. Damit würde nicht allein der Mensch über eine starke Intelligenz verfügen, sondern es würde auch autonome künstliche Intelligenz bis hin zu gänzlich künstlichen Lebensformen wie synthetischen Bakterien existieren. Wir brauchen also einen interdisziplinären Ansatz, um die Konsequenzen aus der KI zu erfassen.
Prognosen für das Potenzial von KI
Die Studienautoren haben die künftigen Entwicklungen von künstlicher Intelligenz und ihre Konsequenzen anhand von dritten Prognosen zusammengestellt, um monetäre Potenziale auszuloten. So beziffert der Marktforscher IDC die weltweiten Umsätze für kognitive und künstliche Intelligenz 2021 auf über 46 Milliarden US-Dollar. Noch weiter geht Gartner und prognostiziert den Geschäftswert, den KI 2021 generieren wird, auf 2,9 Billionen US-Dollar, die Arbeitsproduktivität dadurch auf 6,2 Milliarden Stunden.
Für Unternehmen können sich aus Big-Data- und Automatisierungsanwendungen Potenziale für Kostensenkungen und für Wachstum ergeben. So erwarten Unternehmensentscheider laut der KPMG-Studie durch den Einsatz von künstlicher Intelligenz einen Zuwachs an Effizienz und Produktivität (28 Prozent), geringere Kosten (16 Prozent) und eine höhere Profitabilität (14 Prozent).
Recruiting, Schulungen und Administration eignen sich für den KI-Einsatz
Wie wird die künstliche Intelligenz künftig das Wirtschaftsleben konkret verändern? Die Studienautoren haben die Möglichkeiten unter anderem für den Personalbereich ausgewertet. Dabei identifizieren sie drei zentrale Einsatzfelder für KI:
- Unterstützung bei der Auswahl von Bewerbern
- Erstellen von Trainingsunterlagen
- Mitarbeiter-Apps
Für Einstellungsprozesse führt die KPMG-Studie exemplarisch die Anwendung „Recualizer“ an. Sie hilft dabei, den Arbeitsaufwand für das Recruiting zu reduzieren. Mit ihrer Hilfe müssen die Arbeitgeber nicht mehr jede Bewerbung einzeln lesen. Am Beginn des Bearbeitungsprozesses legt HR im ersten Schritt die Rahmenkonstellation für den zu besetzenden Job fest. Mit diesen Informationen generiert das System unterschiedliche Bewerbungsaufgaben in Anlehnung an die eingegebenen Anforderungen. Haben alle Bewerber die Tests durchlaufen, liegen den Arbeitgebern Werte für die Bewertung der Teilnehmer vor. Damit können sie den am besten passenden Kandidaten festlegen und zu einem Interview einladen.
Den Einsatz von KI für die Ausarbeitung von Trainingsunterlagen veranschaulichen die Studienautoren durch das Programm „Scheherazade Interactive Fiction“ vom Georgia Institute of Technology. Das Programm nutzt Crowdsourcingdaten und produziert damit eigenständig interaktive Erzählungen. Dafür muss es genretypische Merkmale mittels Beispieltexten erlernen. Dadurch ist das Programm imstande, beispielsweise innerhalb eines Spiels neue Handlungsstränge zu entwickeln in Anlehnung an die Bewegungen eines Spielers. Steht dem Programm eine entsprechend große Datenmenge zur Verfügung, kann es darüber Kompetenzen etwa in einem Spiel gewinnen, die an die Fähigkeiten eines Menschen heranreichen. Das Programm lässt sich für Videospiele, aber auch für betriebliche Onlinekurse und Trainings einsetzen.
Das dritte Praxisbeispiel der Studienautoren bezieht sich auf eine Smartphone-App der Singapurer OCBC-Bank für ihre Mitarbeiter. Der Arbeitgeber informiert die Beschäftigten per Chatbot zu Themen rund um das Personalmanagement. Die Anwendung nutzt dabei das Informationssystem der Personalabteilung. Inhaltlich geht es zum Beispiel um Anträge für Arbeitsausfälle und Rückbelastungsansprüche sowie interne Stellenausschreibungen. Die App entlastet die Personalabteilung in ihrer Kommunikation mit den Mitarbeitern.
Die Studienautoren erwarten durch künstliche Intelligenz mittelfristig einen starken Wandel in den HR-Abteilungen. Neben einem effizienteren Recruiting und der Mitarbeiterschulung wird auch die Administration im HR-Ressort von neuen KI-Anwendungen profitieren. Das umfasst Aufgaben wie die Vertragsgenerierung oder die Überwachung von Zeit- und Urlaubskontingenten. Hier stehen viele Personalabteilungen noch am Anfang. Auf mittlere Sicht wird KI die Struktur der Mitarbeiter im Personalbereich verändern. Statt administrativer Kenntnisse werden andere Kompetenzen wie Kommunikation stärker gefordert sein.