Flexibel und agil sein: Das will jeder. Aber wenn wir ehrlich sind, klafft zwischen Wunsch und Wirklichkeit oft eine große Lücke. Das wissen viele HR-Abteilungen. In den vergangenen drei Jahren haben Corona und Homeoffice so ziemlich alles auf den Kopf gestellt, was sich zuvor Jahrzehnte bewährt hatte. Die Personalerinnen und Personaler haben in der Krise einen guten Job gemacht, indem sie zum Beispiel schnell die Voraussetzungen für das Arbeiten zu Hause geschaffen haben. Sie haben gezeigt: Wir sind agil und flexibel.
Somit ist HR gut aufgestellt – oder nicht? Es ist Vorsicht geboten, es kommen gravierende Umwälzungen auf die HR-Abteilungen zu. Die Anforderungen an HR ändern sich gerade massiv, und das wirkt sich auf die Rolle von HR aus. Bisher bekam die HR-Abteilung dann Lob, wenn sie Standardprozesse wie die Genehmigung von Urlaubsanträgen zügig bearbeitete – das galt dann als agil. Das wiederkehrende Abarbeiten von standardisierten Prozessen wird in Zukunft aber durch Prozessautomatisierungen (Robotic Process Automation, RPA) übernommen und fällt damit aus dem Kompetenzprofil der Sachbearbeitung in HR. RPA kann im Kontext des Fachkräftemangels Personalabteilungen entlasten, doch um sich zukunftsorientiert aufzustellen und Technologien mehr Raum zu geben, muss sich HR aktiv mit der eigenen Rolle auseinandersetzen.
Es muss nicht nur vor dem Hintergrund der Nachwuchsfrage die eigene Rolle überdenken. Die Zunahme an Ghosting, also der Abbruch des Bewerbungsprozesses oder das Nichterscheinen am ersten Arbeitstag, zeigt deutlich, dass der Kontakt von HR beim Mitarbeitenden schon im Frühstadium entscheidend ist. HR muss im Bewerbungsprozess von Anfang an sowohl persönlich als auch digital präsent sein und die neuen Mitarbeitenden an ihre Arbeitsplätze heranführen.
Ein langjähriger Mitarbeiter wiederum möchte möglicherweise eine Immobilie erwerben und benötigt für ein Bankdarlehen einen Nachweis zu Beschäftigung und Gehalt. Auch hier kann HR unterstützen, damit Mitarbeitende sofort – auch am Wochenende – erhalten, was sie benötigen. Unterstützung bei Gesundheitsthemen, wie Wiedereinstieg nach langer Krankheit, oder individualisiertes Skillmanagement werden in Zukunft relevanter werden.
HR braucht mehr Selbstbewusstsein
Wenn HR nicht nur Erfüllungsgehilfe und Diener der eigenen Prozesse sein will, dann braucht es kontinuierliche Veränderung. Viele Unternehmen haben das erkannt, auch getrieben durch die Pandemie. Dennoch müssen HR-Abteilungen nach wie vor kämpfen, um diesen Status zu rechtfertigen. HR-Leiterinnen und -Leiter sollten hier selbstbewusst sein und diese wachsende Bedeutung kommunizieren und auch einfordern. Die Employee-Experience tritt als Teil der Unternehmensstrategie gleichberechtigt neben traditionelle Ziele wie Effizienz und Kostensenkung.
Bei der Employee-Experience ist entscheidend, dass HR die Belegschaft nicht mehr als einheitliche Masse adressiert, bei der alle Personen die gleichen Bedürfnisse haben. Vielmehr muss HR jede Person individuell wahrnehmen. Damit der Aufwand nicht aus dem Ruder läuft, braucht es Technologien, die alle Prozesse abdecken, diese vereinfachen und ermöglichen, flexibel auf Bedürfnisse zu reagieren.
Mit Technologien alle Talente erreichen
Doch womit kann HR die Mitarbeitenden am besten erreichen? Früher war das der Aushang am Schwarzen Brett in der Kantine. In einer hybriden bzw. digitalen Arbeitswelt ist das nicht mehr so einfach, allerdings bleibt das Grundprinzip bestehen: Man muss sie da abholen, wo sie sind.
Auf Technologien bezogen bedeutet das, bestehende, funktionierende „Entry-Points“ zu nutzen oder neue virtuelle Treffpunkte zu kreieren. Welcher Eingangspunkt der beste für ein Unternehmen ist, wird durch die Mitarbeitenden und deren Gruppenzugehörigkeiten definiert. So kann beispielsweise eine bestehende Zugangsstelle zur täglichen Zeiterfassung genutzt werden, um dort noch mehr People-Services anzubieten. Dieser Eingangspunkt wird mindestens viermal pro Tag von allen Mitarbeitenden genutzt: zu Beginn des Tages, zweimal zu Mittag und am Ende des Arbeitstages.
Genau hier können Unternehmen ansetzen und die unterschiedlichen Self-Services für Prozesse, Anträge, Informationen, Regulation, Benefits, Anfragen und Dokumente ebenso wie das Workforce-Management von Zeiterfassung und Personaleinsatzplanung bis hin zum Bedarfs-Forecasting an einem zentralen Knotenpunkt zur Verfügung stellen. Vorgesetzte haben dadurch alle Informationen, um Ressourcen zu planen und beispielsweise Schichtpläne zu erstellen oder zu ändern. Die App hat einen Konnektor zu MS Teams, wo der Mitarbeitende einen Schichtwechsel eintragen kann, das Ergebnis fließt dann direkt in den Schichtplan ein. Die Regeln und Prozesse sind in der Cloud hinterlegt. Der Mitarbeitende kann darauf zurückgreifen, sieht aber in der eigenen Ansicht zusätzliche individualisierte Informationen.
Dass dies für die einzelnen Mitarbeitenden eine große Erleichterung im Umgang mit ihren Einsatzzeiten sein kann, lässt sich schnell erkennen. Dass aber darüber hinaus mit dem Einsatz einer solchen Lösung vor allem in Industriebetrieben eine Zielgruppe erreicht wird, die in der Vergangenheit vorrangig analoge Arbeitssysteme genutzt hat, ist ein bedeutender Schritt nach vorne.
Neue Prozesse entlasten HR
Auch die HR-Abteilung profitiert von dieser Technologie. Sie kann Prozesse definieren und mit wenig Aufwand digital anbieten und ändern, etwa wenn neue gesetzliche Regeln kommen oder Unternehmensentscheidungen Veränderungen erfordern. Ohne Programmierkenntnisse können die Personalerinnen und Personaler per Drag and Drop Formulare erstellen etwa für Urlaubsanträge. Dafür braucht es kein IT-Personal, das in Zeiten des Fachkräftemangels ohnehin knapp ist. Das spart Ressourcen, sowohl in der IT-Abteilung als auch bei HR. Bei Letzterem lässt sich der Zeitaufwand deutlich reduzieren, weil weniger administrative Arbeiten mit Papierformularen oder Excel-Tabellen anfallen.
Agilität und Flexibilität im Human-Resources-Bereich dürften bei Einführung einer zentralen Lösung deutlich zunehmen. Urteile wie das des Bundesarbeitsgerichts über die Pflicht zur Zeiterfassung lassen sich leicht umsetzen, weil dies im Idealfall zur Basisfunktionalität der Softwarelösung gehört.
Mitarbeitende beim Change mitnehmen
Bei Einführung einer entsprechenden Softwarelösung gilt es, die Mitarbeitenden frühzeitig einzubinden. Auch hier ist das Management gefragt. Es muss schon zu Beginn des Projekts ausführlich kommunizieren, sowohl zu den strategischen Zielen als auch zu den Auswirkungen auf das Team und alle Beschäftigten.
Michael Jetten, UKG, und Sascha Glemser, KPMG AG, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft