„Irgendwann hat jeder von uns gelbes Blut.“ Thomas Diwan schmunzelt, als er das über sich und seine Kolleginnen und Kollegen sagt. Zugleich ist er stolz, dass es seinem Arbeitgeber Jungheinrich, dessen Firmenfarbe Gelb ist, so gut gelingt, Talente zu binden. „Die meisten unserer Mitarbeiter bleiben viele Jahre oder Jahrzehnte im Unternehmen“ – so lange, bis ihnen die Unternehmensfarbe sinnbildlich ins Blut übergegangen ist.
Die erfolgreiche Talentbindung verdankt das Familienunternehmen auch Diwan. Denn der Direktor der Jungheinrich Akademie sorgt mit seinem Team dafür, dass sich alle Talente – ob Blue-Collar-Arbeiter, Vertrieblerin oder Führungskraft – stetig weiterqualifizieren können.
Seit 15 Jahren gibt es den Trainingsstandort neben dem Jungheinrich-Werk Norderstedt, aus dem im Laufe der Jahre die Akademie entstanden ist. Nachdem der Fahrzeug- und Systemanbieter damals die Personalentwicklung für Führungskräfte professionalisiert hatte, wollte der Vorstand das Training und die Qualifizierung auf alle Mitarbeitenden ausrollen, erinnert sich Diwan. Seither steht den rund 20.000 Mitarbeitenden weltweit eine strukturierte und flexible Lernumgebung, der sogenannte Campus, zur Verfügung. „Es war uns besonders wichtig, dass dieses Angebot von allen Mitarbeitern, egal wo sie sitzen, genutzt werden kann“, sagt Diwan.
Ein Campus für alle Lernformate
Die Lernumgebung, die der Hersteller von Flurförderzeugen und Logistiksystemen mit seinem Campus anbietet, ist breit gefächert. „Der Campus bildet den gesamten Teil des formellen Lernens ab, virtuell und in Präsenz. Hier ist alles Wissen gebündelt.“ Im Rahmen des Blended-Learning Konzepts werden Trainingsteilnehmer mittels digitalem Content und durch Trainings in Schulungszentren vor Ort ganzheitlich qualifiziert. Vor-Ort-Trainings seien wichtig, um praktisches Wissen zu erlangen und in praxisähnlichen Situationen zu üben. Beschäftigte können in virtuellen Klassenzimmern mit bis zu 20 Kollegen und Kolleginnen lernen, aber auch an Produktschulungen mit bis zu 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern teilnehmen.
Neben den klassischen digitalen Lernformaten setzt das Familienunternehmen auf kreative Formate wie Videos, Podcasts und Screencasts, das sind Videos zu Bildschirmaufzeichnungen, die beispielsweise die Abläufe bei der Verwendung von Software erklären. Diwan freut sich: „Der Charme an dem Campus ist, dass das Wissen jederzeit und von überall abrufbar ist.“ So könne sich beispielsweise der Kundendiensttechniker vor Kundenterminen im Campus zu Produkten informieren und müsse nicht auf einen Schulungstermin warten.
Neue Kompetenzen gefragt
Die Dauer der Weiterbildungen variiert: von kurzen Lernnuggets für das Lernen in Eigenregie, Halbtagestrainings bis hin zu Lehrgängen, die anderthalb Jahre mit 32 Trainingstagen und Praxisphasen umfassen. Jeder Beschäftigte kann sich in Absprache mit seinem Vorgesetzten zu Schulungen anmelden. Diese können mit seinen beruflichen Aufgaben zusammenhängen, müssen aber nicht zu den Kernaufgaben eines Mitarbeiters gehören. Diwan erläutert: „Unsere Mitarbeiter brauchen auch bedarfsgerechte Trainings. Dann geben wir vor, worin sich Mitarbeiter weiterbilden müssen, zum Beispiel im Kundendienst in Elektronik oder Hydraulik.“
Mit dem Lernangebot stärkt Jungheinrich die fachlichen, teils firmenspezifischen Kompetenzen seiner Mitarbeitenden, gleichzeitig aber auch deren Soft Skills. „Wir stellen fest: Die Entwicklung beschleunigt sich signifikant. Zukünftig sind Soft Skills wie Veränderungsfähigkeit und Ambiguitätstoleranz, die Fähigkeit, damit umgehen zu können, dass es nicht nur Schwarz und Weiß gibt, mehr und mehr gefragt. An diese Themen wagen wir uns heran.“
Netzwerke schaffen, ist wichtig
Über die digitale Lernumgebung können sich die Lernenden untereinander und mit ihren Trainern und Trainerinnen vernetzen. Immerhin gibt es mittlerweile rund 240 zertifizierte Trainer weltweit sowie 40 Spezialisten für den Campus weltweit. „Wir haben Netzwerke, über die die Teilnehmer und Teilnehmerinnen Wissen, auch firmenspezifisches Wissen, teilen können.“
Damit die Lernangebote immer aktuell sind, prüft das rund 60-köpfige Team um Diwan diese stetig. „Unser Team evaluiert, welche neuen Lernformate geschaffen werden können, welche Lerninhalte wichtig sind, wie sich berufliche Anforderungen verändern und welche Soft Skills Talente künftig brauchen“, erklärt Diwan. Inhaltlich tangieren die Themen alle Bereiche des Unternehmens: Vertrieb, Kundendienst, Automatisierungstechnik, Entwicklung, Produktion, IT und viele mehr.
Nutzen der Projekte regelmäßig prüfen
Aus Diwans Sicht sind die Qualifizierungsmaßnahmen bisher erfolgreich. Im Jahr 2022 nahmen allein in Deutschland 6.688 Mitarbeitende an Schulungen teil, es gab viel positives Feedback.
Die ausgeklügelte Lernumgebung lässt sich der Konzern einiges kosten, doch Diwan betont: „Die Kosten müssen sich auszahlen.“ Dafür evaluiert sein Team nach einer abgeschlossenen Qualifizierung, ob diese erfolgreich war. Die Erfolgsmessung erfolgt über Tests, Zertifizierungen und Feedback. Dazu befragt Diwans Team auch die Führungskräfte der geschulten Mitarbeitenden, ob sie positive Effekte im Arbeitsalltag bemerken.
Diwan erinnert sich, dass sich nicht alle Ideen zum Lerncampus bewährt hätten: „Wir haben die eine oder andere Schleife gedreht, bis wir zu dem Tool gekommen sind, bei dem wir heute sind.“ Dabei habe geholfen, dass das Unternehmen agil und mit kurzen Feedbackschleifen gearbeitet habe. „Wir fangen bei jedem Thema erst einmal klein an und evaluieren zwischendurch detailliert.“ So konnte sich das Team bei der Entwicklung leicht von Inhalten oder Methoden verabschieden, die nicht funktioniert haben und neue Wege gehen.
Unternehmen als „lernende Organisation“ begreifen
Auch in Zukunft wird Diwan mit seinem Team die Trainings weiterentwickeln. Aktuell sieht er vor allem drei Bereiche, in denen es in naher Zukunft weitergehen sollte:
- Das informelle Lernen soll weiterentwickelt werden, so dass Mitarbeitende noch besser von anderen Mitarbeitenden lernen können.
- Der Einsatz von künstlicher Intelligenz soll in den Lernprozess aufgenommen werden.
- Das soziale Lernen über den Campus soll gestärkt werden.
„Wir sind eine lernende Organisation“, fasst Diwan zusammen. Das zahlt auch auf das Employer-Branding ein. „Wir haben Bewerber und neue Mitarbeiter, die uns zurückgemeldet haben, dass es einzigartig ist, was wir machen, und dass sie das von anderen Unternehmen nicht kennen“, sagt er.
Kirstin Gründel