In Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrern schlummert enormes Potential für Unternehmen, Personalengpässe auszugleichen und unbesetzte Stellen mit Fachkräften zu füllen. Beinahe 90 Prozent der Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrer möchten sich beruflich weiterbilden.
Selbstbestimmung und neue Chancen: Das wollen Wiedereinsteiger
Für Unternehmen ist das eine Chance, sofern sie die richtigen Weiterbildungsangebote und den richtigen Bildungspartner haben. Eine aktuelle Studie der IU Internationalen Hochschule (IU) mit dem Titel „Zurück in den Beruf – gleichberechtigt, gebildet, gefragt?“ zeigt, worauf es Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteigern ankommt – und worauf Unternehmen achten müssen.
Die Länge der beruflichen Pause variiert zwischen weniger als einem und mehr als zehn Jahren. Was jedoch viele Aussteiger gemeinsam haben: Zu wenig Zeit für die Familie ist der Kündigungsgrund Nummer 1. Dabei ist es gerade bei Fachkräften leicht, familienfreundliche Arbeitsplätze und -modelle anzubieten. Eine Schlussfolgerung aus der Studie: Gerade in Branchen mit hohem Personalbedarf punkten Arbeitgeber mit Angeboten, die sich nach den Vorstellungen der Wiedereinsteigerinnen richten: Mobiles Arbeiten aus dem Homeoffice oder flexible Gleitzeitmodelle – die fortschreitende Digitalisierung macht es Unternehmen heute leicht, für Berufsrückkehrer attraktiv zu sein.
Für Unternehmen sind Berufsrückkehrerinnen und Berufsrückkehrer eine große Chance: Denn wer wieder arbeiten möchte, ist nicht nur motiviert, sondern vor allem wechselwillig. 46 Prozent der Befragten suchen eine ganz neue Tätigkeit. Immerhin ein Drittel der Befragten möchte zwar in seinem ursprünglichen Berufsfeld bleiben, wünscht sich aber neue Tätigkeiten, mehr Verantwortung oder ein erweitertes Aufgabengebiet. Was Unternehmen dennoch nicht vernachlässigen dürfen: Die Familie steht für viele an oberster Stelle, wenn es um die Gründe für eine berufliche Neuorientierung geht.
Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf bleibt für viele auch bei der Wiederaufnahme der Arbeit ein wichtiges Motiv zur Neuorientierung. Immerhin 80 Prozent der Studienteilnehmer, die ihre alte Arbeitsstelle gekündigt haben, gingen diesen Schritt aus familiären Gründen. Darauf müssen sich Arbeitgeber einstellen.
Die Schlussfolgerung: Familie und Beruf miteinander zu vereinen wird immer wichtiger – flexible Arbeitsmodelle sind deshalb heute gefragter denn je. Arbeitgeber können viel von gut weitergebildeten Fachkräften bekommen – sie müssen sich aber auch auf die Anforderungen der Wechselwilligen einstellen. Wer sich nach den Bedürfnissen der Wiedereinsteiger richtet und geeignete New-Work-Modelle anbietet, bindet damit motivierte, qualifizierte Mitarbeiter.
Wie motiviert die neuen Mitarbeiter sind, zeigt auch ein Blick auf ihre Erwartungen. Vorherrschende Ziele einer Weiterbildung sind verbesserte Berufschancen (57 Prozent), persönliche Weiterbildung (47 Prozent) und die Vertiefung des bereits vorhandenen Fachwissens (44 Prozent). Unter den Top 6 der Beweggründe für Weiterbildungen findet sich außerdem noch das Erlernen komplett neuer Inhalte (35 Prozent).
Bildungsangebot muss zu Lebenssituation passen
Arbeitgeber können von Berufsrückkehrern nur dann profitieren, wenn sie die richtigen Fortbildungsmodelle anbieten. Denn an der Motivation der potentiellen Rückkehrerinnen und Rückkehrer scheitert es nicht: Damit sie im neuen Job Erfolg haben, sind sie mehrheitlich bereit, schon vorhandene Kenntnisse in Weiterbildungen zu vertiefen und auszubauen.
Damit jedoch eine Weiterbildung in Frage kommt, müssen die Rahmenbedingungen stimmen. Konkret heißt das: Das Weiterbildungsangebot muss zur Lebenssituation der Rückkehrer passen. Arbeitgeber sollten das bedenken, wenn sie geeignete Fortbildungsangebote schaffen möchten.
Flexibilität hat oberste Priorität
Auf der Wunschliste der Befragten steht Flexibilität an erster Stelle. Denn wer neben Job und Familie auch noch eine berufliche Weiterbildung organisieren will, ist auf die Möglichkeit zur flexiblen Zeiteinteilung angewiesen. Reine Präsenzveranstaltungen zu festen Zeiten kommen nur für knapp ein Fünftel der Befragten mit Weiterbildungsinteresse in Frage. Der Großteil spricht sich für Onlinemodelle oder die Möglichkeit zur freien Zeiteinteilung aus. Allerdings liegt kein Studienmodell eindeutig vorne: Ob reine Onlineangebote mit flexibler Zeiteinteilung, feste Lernzeiten, die aber rein online stattfinden, oder Kombinationsmodelle – die Präferenzen sind so divers wie die Lebensumstände der Befragten. Klar ist aber: Flexibilität entscheidet. Besonders viel Freiraum benötigen Weiterbildungsinteressierte bei der örtlichen Wahrnehmung der Angebote. Dieser Punkt ist für etwas mehr als die Hälfte der Befragten entscheidend. Beinahe ebenso wichtig sind flexible Startzeiten am Morgen und die Möglichkeit, tageweise auszusetzen.
Wer für Berufsrückkehrer attraktiv sein möchte, sollte deshalb die persönlichen Umstände der potentiellen Mitarbeiter ernst nehmen und Weiterbildungsangebote individuell daran anpassen. Arbeitgeber, die diesen Schritt erfolgreich gehen, haben auf dem Arbeitsmarkt einen klaren Vorteil.
Rollenklischees überwinden
Für Unternehmen in Branchen mit erheblichem Fachkräftemangel bieten sich Berufsrückkehrer besonders an – gerade, wenn die Branche ohnehin auf die Bedürfnisse und Wünsche der Wiedereinsteigerinnen und Wiedereinsteiger einzahlt: mit Flexibilität und gutem Gehalt sowie Schulungs- und Aufstiegschancen.
Der IT-Bereich ist das Karrierefeld der Zukunft und wächst seit Jahren unaufhaltsam. Die Branche bietet genau das, was sich Berufsrückkehrer wünschen – in der Regel sogar ausgeprägter als andere Branchen. Doch obwohl der IT-Bereich so viel bieten kann, gerät er bei der Branchenwahl der Befragten ins Hintertreffen. Nur 20 Prozent können sich vorstellen, nach einer Weiterbildung im IT-Sektor zu arbeiten. Auf den ersten Rängen finden sich der Gesundheitsbereich mit fast 40 Prozent und Marketing & Kommunikation mit beinahe 30 Prozent. Gerade bei weiblichen Befragten ist die IT unbeliebt.
Dabei ist sie ein klarer Zukunftsmarkt. Im Bereich Künstliche Intelligenz etwa suchen Unternehmen verzweifelt nach Personal. An Frauen mangelt es besonders. Darin bestätigen sich veraltete Rollenbilder: Studien der OECD legen nahe, dass junge Frauen vornehmlich den Gesundheitsbereich als Karriereoption sehen. Ein Berufsfeld, das in der Regel deutlich schlechter bezahlt und kaum flexibel ist – Faktoren, die aber gerade Frauen beim Wiedereinstieg in den Beruf wichtig sind. Junge Männer tendieren stattdessen eher zu Führungspositionen in technischen Bereichen.
Die Studie der IU identifiziert weitere Problemfelder: Die IT-Branche muss zeigen, wie vielfältig sie ist. Denn obwohl sie flexible Arbeits- und Weiterbildungsmodelle bieten kann, überwiegen die Vorurteile und weitverbreitete Klischees: IT ist trocken, zu technisch. Unternehmen, die Frauen für sich gewinnen wollen, können sich durch gezielte Branchen- und Berufskampagnen ins Bewusstsein der Bewerberinnen spielen. Denn: Personalengpässe in der IT lassen sich mit den passenden Konzepten für Berufsrückkehrerinnen durchaus abmildern. Um mehr Frauen für die Branche zu gewinnen, brauchen Unternehmen ansprechende Weiterbildungsmöglichkeiten, Kooperationen mit relevanten Unternehmen und umfassende Förderprogramme.
Prof. Dr. Alexandra Wuttig, IU Internationale Hochschule