Mindestlohn und Minijob
Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, den Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde zu erhöhen. Dieses Vorhaben wird bereits umgesetzt. Im Februar 2022 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf verabschiedet, nach dem der Mindestlohn zum 1. Oktober 2022 auf 12 Euro pro Stunde (derzeit 9,82 Euro) sowie die Entgeltgrenze für einen sozialversicherungs- und steuerfreien Minijob auf 520 Euro (derzeit 450 Euro) steigen.
Die Erhöhung des Mindestlohns ist im Vergleich zu den bisherigen Anpassungen ein erheblicher Sprung und wird viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellen.
Arbeitszeit
Es sollen Modelle flexibler Arbeitszeit ermöglicht werden. Dabei wird am Grundsatz des 8-Stunden-Tages nach dem Arbeitszeitgesetz festgehalten. Es soll aber „Experimentierräume“ geben, so dass auf Basis von Tarifverträgen oder durch Betriebsvereinbarungen von der Tageshöchstarbeitszeit abgewichen oder die Arbeitszeit insgesamt flexibler gestaltet werden kann. Der Anpassungsbedarf des Arbeitszeitrechts nach dem Urteil des EuGH aus dem Jahr 2019 zur Arbeitszeiterfassung wird überprüft. Es sollen aber weiterhin Modelle flexibler Arbeitszeit, etwa Vertrauensarbeitszeit, möglich sein.
Inwieweit durch dieses Vorhaben tatsächlich eine in der gesamten Arbeitswelt wünschenswerte Flexibilität eintritt, bleibt abzuwarten. Insbesondere das explizite Festhalten an einem 8-Stunden-Tag könnte einer wirklich flexiblen Arbeitseinteilung entgegenstehen und ist nicht zwingend, da insbesondere die europarechtliche Arbeitszeitrichtlinie nicht auf eine tägliche, sondern eine wöchentliche Höchstarbeitszeit abstellt.
Homeoffice und mobiles Arbeiten
Homeoffice soll als eine Möglichkeit der mobilen Arbeit von der Telearbeit abgegrenzt werden und damit nicht mehr dem Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung unterliegen. Relativ unverbindlich ist im Koalitionsvertrag formuliert, dass zur Gestaltung des Homeoffice im Dialog mit allen Beteiligten sachgerechte und flexible Lösungen erarbeitet werden sollen. Beschäftigte in geeigneten Tätigkeiten sollen einen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten und Homeoffice gegenüber ihrem Arbeitgeber erhalten. Arbeitgeber können dem Wunsch der Beschäftigten nur dann widersprechen, wenn dem betriebliche Belange entgegenstehen. Für abweichende tarifliche und betriebliche Regelungen soll Raum bleiben. Zudem soll die mobile Arbeit auch EU-weit unproblematisch möglich sein.
Inwieweit sich aus diesem Vorhaben ein echter Anspruch von Arbeitnehmern auf Homeoffice ergibt, wie ihn Bundesarbeitsminister Hubertus Heil zur Diskussion gestellt hat, wird sich anhand der konkreten Ausgestaltung zeigen. Eine EU-weit geregelte Mobilarbeit ist jedenfalls begrüßenswert, da mobile Arbeit im Ausland derzeit mit vielen Herausforderungen für die Arbeitgeber verbunden ist.
Befristung von Arbeitsverträgen
Wie schon 2018 enthält der aktuelle Koalitionsvertrag Regelungen zur Veränderung des Befristungsrechts. Es ist unter anderem vorgesehen, dass sachgrundbefristete Arbeitsverträge bei demselben Arbeitgeber auf sechs Jahre begrenzt werden, um Kettenbefristungen zu vermeiden. Ein Überschreiten dieser Höchstdauer soll nur in Ausnahmefällen möglich sein.
Die geplanten Änderungen scheinen keine so erhebliche Einschränkung des in der Praxis häufig genutzten Flexibilisierungsinstruments der Befristung zu sein, wie nach dem Referentenentwurf der letzten Bundesregierung zu befürchten war.
Arbeitnehmermobilität
Der Schutz von Beschäftigten bei grenzüberschreitenden Entsendungen soll verbessert und bürokratische Hürden sollen abgebaut werden. Zudem will die Koalition europaweit eine richtlinienkonforme Umsetzung der europäischen Entsenderichtlinie sowie deren einfache Handhabung und Durchsetzung zum Schutz entsandter Beschäftigter erwirken. Die Koalition plant dazu eine bürokratiearme Umsetzung des deutschen Arbeitnehmer-Entsendegesetzes, eine gute Ausstattung der Kontrollbehörden für effektive und effiziente Kontrollen, um gegen Missbrauch und Betrug vorgehen zu können, sowie breite Beratungsangebote für entsandte und mobil Beschäftigte. Zudem will die Koalition eine Informationsplattform in allen EU-Sprachen unter anderem mit Informationen zum nationalen Arbeitsrecht in den Mitgliedsstaaten einführen.
Die Vereinfachung von grenzüberschreitenden Entsendungen ist begrüßenswert, da diese aktuell mit hohem formalem Aufwand verbunden sind. Abzuwarten ist, ob sich der Plan der Koalition lediglich auf die Änderung des Rechts in Deutschland und damit hauptsächlich auf Entsendungen nach Deutschland bezieht oder ob insgesamt Entsendungen innerhalb der EU erleichtert werden sollen, die dann auch auf europäischer Ebene zu regeln wären.
Betriebliche Mitbestimmung
Betriebsräte sollen nach Ansicht der Koalition selbstbestimmt entscheiden, ob sie analog oder digital arbeiten. Im Rahmen der verfassungsrechtlich gebotenen Maßstäbe sollen Onlinebetriebsratswahlen in einem Pilotprojekt erprobt werden.
Am 18. Juni 2021 trat das Betriebsrätemodernisierungsgesetz in Kraft. Hierin wurden bereits erste Schritte in Richtung Digitalisierung der Betriebsratsarbeit festgehalten. Es eröffnet die Möglichkeit einer virtuellen Betriebsratssitzung, normiert aber weiterhin den Vorrang der Betriebsratssitzungen in Präsenz. Angesichts der während der Coronapandemie befristet geltenden Regelung, dass Sitzungen betriebsverfassungsrechtlicher Gremien sowie Einigungsstellenverfahren virtuell durchgeführt werden können, war dies jedoch eher ein Rückschritt für die Digitalisierung und ging an den betrieblichen Notwendigkeiten vorbei, da viele Unternehmen und auch Betriebsräte in erheblichem Umfang digital arbeiten. Insofern bleibt zu hoffen, dass die Koalition die Digitalisierung der Betriebsratsarbeit weiter vorantreibt.
Arbeits- und Gesundheitsschutz
Der Arbeits- und Gesundheitsschutz soll den neuen Herausforderungen in einer sich wandelnden Arbeitswelt angepasst werden. Genannt werden als Schwerpunkte die psychische Gesundheit sowie die Erarbeitung eines Mobbingreports.
Die Anpassung der Gesetzeslage an die aktuelle Lage verstärkt auftretender psychischer Erkrankungen ist zu begrüßen.
Es bleibt abzuwarten, welche der genannten Vorhaben tatsächlich in den kommenden Jahren umgesetzt werden. Einige der geplanten Änderungen wären sowohl von Arbeitnehmer- als auch von Arbeitgeberseite begrüßenswert. Die Vorgaben sind im Koalitionsvertrag teilweise jedoch recht vage formuliert, so dass eine genauere Bewertung erst nach der Umsetzung möglich sein wird.
Martin Fink, Rechtsanwalt/Fachanwalt für Arbeitsrecht, und
Regina Holzer, Rechtsanwältin, ADVANT Beiten