Wer in einer Suchmaschine im Internet die Stichworte „Fairness im Job“ eingibt, findet unzählige Feeds dazu. Es gibt zahlreiche Rankings und allerlei Siegel von Unternehmen, die angeblich besonders fair zu ihren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen sind. Ob das die Realität auf dem Arbeitsmarkt abbildet und belegt, dass Deutschland in Sachen Fairness im Job bereits weit vorangeschritten ist, ist fraglich. Vermutlich dürften viele Unternehmen noch Nachholbedarf haben, wenn es darum geht, mit Fairness zu punkten.
Der aktuelle Stand in Deutschland
Zuallererst ist es für jeden Menschen wichtig, „Fairness“ für sich zu definieren. Jeder Arbeitnehmer, jede Arbeitnehmerin und auch jedes Unternehmen beurteilt das anders und macht Fairness an anderen Punkten fest.
Wird Fairness am Gehalt bemessen? Oder kommt es auf die Work-Life-Balance bzw. die Arbeitszeiten an? Geht es darum, wie nachhaltig das Unternehmen ist oder ob es soziale oder andere Projekte unterstützt? Was ist mit Mitbestimmung, und wie steht es um die Kollegialität? Werden Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wertgeschätzt, weiterentwickelt oder „richtig“ befördert? Gibt es Mitarbeitervorteile, die definieren, wie fair ein Unternehmen ist?
„Für viele Mitarbeitende ist es ein Mix aus allem – auf jeden Fall ist es immer subjektiv“, erklärt Alina Zimmermann, Head of People and Culture bei Zenjob. „Sicher ist eines: Fairness ist ein Faktor, der Bewerbern und Bewerberinnen bei der Auswahl ihres Arbeitgebers oder ihrer Arbeitgeberin immer wichtiger wird. Während Jobsuchende vor einigen Jahren vor allem noch auf Gehalt und Namen oder Marke geachtet haben, suchen Fachkräfte nun verstärkt Firmen, die besonders fair sind.“
Wertschätzung als erster Schritt zu Fairness
Das Gehalt spielt dabei immer weniger eine Rolle. Wichtiger sind Wertschätzung, Nachhaltigkeit und eine gute Work-Life-Balance. „Oft hören wir in Jobinterviews Fragen nach Arbeitszeiten und danach, wie sich Familie bzw. Privatleben und Beruf vereinbaren lassen. Künftigen Mitarbeitenden werden auch Themen wie Mitarbeitervorteile oder Weiterentwicklung immer wichtiger.” Besonders die Pandemie hat dieses Denken noch einmal mächtig aufgewirbelt.
Nach Zimmermanns Einschätzung brauchen Mitarbeiter in Zeiten von Home-Office, Home-Schooling und Co. nur noch teilweise feste Arbeitszeiten. Sie führt aus: „Ich finde gut, dass die Entwicklung eher zur Selbstgestaltung der Arbeitszeit tendiert. Das gibt Angestellten die Freiheit, auch sagen zu können, dass sie beispielsweise heute nur sechs Stunden arbeiten und morgen und übermorgen dafür eine Stunde länger. Natürlich ist das aber nicht überall praktikabel“, gibt sie zu bedenken.
Eine kleine Änderung wie die Flexibilisierung der Arbeitszeiten sollte einen direkten Einfluss auf die Motivation der Mitarbeiter haben. Meist reichen marginale Schritte, um auch unzufriedene Mitarbeiter wieder motivieren zu können.
Ist ein Arbeitgeber dagegen nicht fair, hat das direkte Auswirkungen auf die Motivation und später auch auf die Produktivität des Teammitglieds. „Das A und O hier ist Wertschätzung“, erklärt Zimmermann. Ob in einem Mitarbeitergespräch oder auch zwischendurch: Jeder, dem Personal unterstellt ist, sollte in der Lage sein, die Arbeit der Angestellten bewerten und wertschätzen zu können.
Auch sei es wichtig, dass Unternehmen auf die Bedürfnisäußerung der Mitarbeitenden eingehen. Gibt es regelmäßige Feedbackgespräche, bei denen der Stand der Arbeit und die Bedürfnisse der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Vordergrund stehen? Auch hier sollte Wertschätzung eine große Rolle spielen.
Faires Gehalt – aber wie?
Viele Arbeitnehmer verwechseln „Fairness“ mit „Gleichbehandlung“. Doch besonders beim Lohn wird der Unterschied deutlich. Zwei Personen in einem Team, die zwar die gleiche Aufgabe haben, aber einen anderen Grad an Erfahrung mitbringen sowie eine andere Herangehensweise haben, müssen nicht zwingend gleich bezahlt werden. Arbeitet jemand schneller und präziser Aufgaben ab als ein anderer, kann er auch anders bezahlt werden. Das Geschlecht darf hierbei natürlich keine Rolle spielen.
Auch zum Thema Gehalt hat Alina Zimmermann einen Tipp: „Um Unzufriedenheit zu vermeiden, sollten Gehälter transparent sein.“ Ähnlich wie staatliche Institutionen definieren einige große deutsche Unternehmen ihre Gehaltsspannen für verschiedene Positionen und den Erfahrungsgrad. Mitarbeiter wissen dann, worauf sie sich verlassen können. „So weit müssen Sie aber nicht gehen“, erklärt Zimmermann. „Es reicht oft schon aus, wenn Mitarbeitende wissen, wann eine Gehaltserhöhung möglich ist.” Daher sollten Arbeitgeber transparent mitteilen, unter welchen Voraussetzungen sie den Lohn erhöhen.
Weniger Verantwortung, mehr Work-Life-Balance
Auch die Entwicklung von Personal ist wichtig. Sie steht, wie der Lohn, für viele Mitarbeiter in direktem Zusammenhang mit Fairness. Auch hier sollte den Angestellten transparent vermittelt werden, wann sie eine Beförderung erwarten können. Möglich ist, Intervalle zu definieren, wann solche Gespräche stattfinden und welche Beförderungen daraus resultieren können. Mitarbeiter können also mit diesen Daten planen. Außerdem können Unternehmen ein System etablieren, das verschiedene Interessen und Karriereziele abdeckt. So ist es denkbar, dass sich Angestellte bewusst entscheiden, ob sie künftig Personal managen möchten oder lieber eine Expertenkarriere auf ihrem Gebiet anstreben und sich in diesem Bereich weiterbilden.
Wie können Unternehmen ein fairer Arbeitgeber werden?
„Nehmen Sie sich nicht zu viel auf einmal vor“, rät Zimmermann und führt aus: „Erarbeiten Sie sich Strategien gemeinsam mit Ihrem Team, oder fordern Sie Feedback dazu ein. Seien Sie ehrlich, und sagen Sie, dass Sie solche Strukturen einführen möchten. Fragen Sie auch Ihr Team, was es davon hält.“
Schließlich ist es auch wichtig, dass ein Unternehmen nach außen verdeutlicht, was es innen lebt und allen Mitarbeitern, auch Aushilfen oder studentischen Kräften, die gleichen fairen Arbeitsbedingungen und Löhne bietet wie anderen Festangestellten.