Auf den Fachkräftemangel im IT-Bereich weist unter anderem eine repräsentative Studie von Bitcom Research hin: Die Anzahl der unbesetzten IT-Stellen in deutschen Unternehmen unterschiedlicher Branchen ist im Jahr 2019 im Vergleich zum Vorjahr um 51 Prozent gestiegen. Damit hat sich gegenüber dem Jahr 2017 die Zahl an Vakanzen verdoppelt. Erschwerend kommt hinzu, dass sich gleichzeitig auch die gesuchten Qualifikationen stetig ändern. Eine weitere Herausforderung bildet das zunehmende Erfordernis nach Führungspersönlichkeiten im IT-Bereich, die mit überdurchschnittlich hohen Social Skills Teams und Mitarbeiter führen und anleiten können.
Führungspersönlichkeiten im IT-Bereich schwer zu finden
Innovative Technologien, die immer wieder neues Wissen und andere Berufsbilder und Qualifikationen erfordern – das setzt viele Unternehmen beim Finden neuer IT-Mitarbeiter zunehmend unter Druck. Waren lange Zeit vor allem Softwareentwickler gesucht, setzen Entwicklungen und Technologien wie Big Data, Cloud-Computing und Künstliche Intelligenz immer stärker auch ganz andere Experten voraus. Naturgemäß sind diese umso gefragter und gleichzeitig umso rarer, je jünger und spezialisierter der jeweilige Technologietrend ist.
Doch selbst Unternehmen, denen es gelingt, Spezialisten innerhalb der eigenen Reihen zu qualifizieren, sind damit nicht zwingend auf der sicheren Seite. Zum einen bedeutet dies einen erheblichen Zeitaufwand, gepaart mit entsprechenden Kosten. Zum anderen werben Konkurrenten oder die Big Brands der Branche, die mit höherem Gehalt oder noch spannenderen Aufgaben locken, solche Fachexperten mitunter im Nu ab.
Noch gar nicht abgedeckt ist dabei das wachsende Erfordernis nach guten Führungspersönlichkeiten. Erfahrungsgemäß können vor allem in technischen Berufen hierfür nötige Qualitäten wie Kommunikations- und Konfliktfähigkeit, Empathie oder gute Selbstführung nicht immer vorausgesetzt werden: Laut Studie vermisst branchenübergreifend fast jedes dritte Unternehmen (32 Prozent) entsprechende Fähigkeiten.
Klare Positionierung als Arbeitgeber
Viele Unternehmen – gerade kleine und mittelständische Unternehmen – versäumen, sich authentisch als Arbeitgeber zu positionieren. In Karrierebereichen von Unternehmenswebsites sind oft informationsleere, allgemeingültige Floskeln zu finden. Doch gerade eine klare Positionierung als Arbeitgeber ist in hart umkämpften Branchen wie der IT besonders wichtig. HR-Verantwortliche müssen sich in ihre durchaus anspruchsvolle Zielgruppe der IT-Experten hineinversetzen und sich unter anderem folgende Fragen stellen: Was wollen von uns gesuchte Spezialisten – und was davon können wir bieten? Welche Bedürfnisse hat unsere Zielgruppe und wie sprechen wir sie richtig an? Und: Auf welchen Kanälen erreichen wir unsere Zielgruppe am besten?
Was allerdings auch die beste Employer-Branding-Kampagne nicht verstecken kann: Defizite in der Unternehmenskultur, die dank Bewertungsportalen wie kununu heute mit wenigen Mausklicks sichtbar werden. So kann die Empfehlung nur lauten: Es ist nie zu früh, „to get the basic rights“.
Freelancer als kurzfristige Lösung
Unternehmen, die Nachholbedarf erkannt haben, sollten mit einer mehrdimensionalen Strategie die Dinge in die Hand nehmen, um im „War for IT-Talents“ gegenüber Branchengrößen zu punkten. Kurzfristig kann es notwendig sein, vorübergehend fehlende Ressourcen mit gut qualifizierten Freelancern aufzufüllen. Unter Umständen kann eine solche freie Mitarbeit der Vorlauf für eine anschließende Festanstellung sein. Nicht zuletzt hat die Coronakrise bei vielen Freelancern auch den Wunsch nach einer sicheren Festanstellung geweckt. In manchen Fällen, etwa beim Aufsetzen und Implementieren neuer Systeme, kann eine zeitlich begrenzte freie Mitarbeit auch die passende Lösung sein.
Fokus auf Active Sourcing
Bei der Kandidatensuche wird der Fokus in Zukunft noch mehr beim Active Sourcing liegen, dem gezielten und aktiven Suchen auf Plattformen wie Xing und LinkedIn, nachdem gesuchte Experten und Spezialisten in der Regel bei einem anderen Unternehmen unter Vertrag sind. Wichtig: Active Sourcing ist ein Marathonlauf, kein Sprint – es geht um ein langfristiges Investment und um den Aufbau von Beziehungen zu Bewerbern. Schnelle Erfolge sind möglich, aber nicht das eigentliche Ziel.
Bewerbungsprozess digitalisieren
Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Hebel liegt in der Wirkung als Arbeitgeber nach außen – Stichwort Employer Branding. Hier sollten Unternehmen auf einen mehrteiligen Maßnahmenplan setzen, der das Einführen moderner Recruitingmethoden sowie die gezielte Vernetzung mit regionalen Partnern umfasst. Wesentlich ist eine konsequente Digitalisierung des Bewerbungsprozesses. Über alle Branchen hinweg betrachtet, sind hier die Defizite groß: Nur 26 Prozent der in der Studie befragten Unternehmen bieten Onlinebewerbungstools.
In die Arbeitskultur investieren
Viele Arbeitgeber werden über kurz oder lang auch nicht daran vorbeikommen, mehr Bewusstheit für weiche Faktoren wie Kultur, Atmosphäre und Umgang miteinander zu entwickeln. Hier müssen Geschäftsführer und CEOs umdenken. Gerade gesuchte Spezialisten, die sich ihren Arbeitsort aussuchen können, legen neben angemessenem Freiraum, guter Bezahlung und spannenden Aufgaben zunehmend Wert auf ein positives und wertschätzendes Miteinander. In der Umsetzung erfordert dies weit mehr als nur den mittlerweile gängigen Tischkicker oder Obstkorb im Büro. Bei IT-Spezialisten liegen vor allem Benefits wie mobiles Arbeiten sowie die Abkehr von einer Anwesenheitskultur hin zu einer Ergebniskultur hoch im Kurs.
Krisen sind immer auch Chancen für Unternehmen. Gerade in unsicheren Zeiten, wie Deutschland und die Welt sie mit der Coronapandemie derzeit erleben, lohnt es sich, den Blick auch schon auf die Zukunft zu richten. Unternehmen, die jetzt den Mut haben, in Spezialisten zu investieren, können gestärkt aus der Krise hervorgehen. Es sind nicht zuletzt IT-Experten, die gerade jetzt unter höchsten Herausforderungen an Lösungen arbeiten, um Betriebe und Unternehmen am Laufen zu halten.