Insbesondere Mütter empfinden, dass sie durch ihre Elternrolle als weniger kompetent oder karriereorientiert angesehen werden. All das führt dazu, dass wir häufig nicht über unsere Rolle als Vater oder Mutter am Arbeitsplatz sprechen. Doch es gibt auch eine positive Seite: Die Elternrolle und die Arbeitnehmerrolle können sich gegenseitig bereichern. Im Vordergrund steht hier, dass Erlebnisse und Erfahrungen aus der einen Rolle (Arbeit oder Familie) in die jeweils andere Rolle übertragen werden. Wir sind deshalb in unserer aktuellen Studie der Frage nachgegangen, ob berufstätige Eltern durch die Interaktion mit ihren Kindern und durch die so stattfindenden Lernprozesse zu resilienteren MitarbeiterInnen werden. Dabei meint Resilienz die psychische Widerstandskraft einer Person und damit deren Fähigkeit, Krisen mit Hilfe eigener Ressourcen bewältigen zu können und gestärkt aus diesen Krisen hervorzugehen.
Das Erleben Selbstwirksamkeit eines Menschen hilft dabei, gesund zu bleiben
Um gesund zu bleiben, ist nach dem Salutogenese-Modell von Aaron Antonowsky das Erleben der Selbstwirksamkeit eines Menschen ein entscheidender Faktor. Dies gilt auch für den Zusammenhang Familie#Arbeit & Gesundheit. Mit einfachen Worten: Erfahren wir, dass wir selbst etwas in der Familie und/oder der Arbeitswelt bewirken können, bleiben wir gesund. Nimmt man etwa MitarbeiterInnen ihre Zeitsouveränität und schreibt ihnen sogar minutengenau vor, was sie zu tun haben, kann diese Selbstwirksamkeit zusammenbrechen. Solche negativen Arbeitsbedingungen fördern nicht nur chronische Erschöpfung, sondern auch einen hohen Krankenstand und eine steigende Fluktuation.
Die Elternrolle kann eine Quelle von Selbstwirksamkeit sein. Eltern kümmern sich, sie schlichten und koordinieren, sie organisieren und hören aktiv zu. Dabei haben sie einen großen Handlungsspielraum mit nur wenigen Vorgaben. Das heißt, sie können ausprobieren, was gut funktioniert und welches Verhalten weniger zielführend ist. Kurzum: Sie lernen. Das bestätigen uns auch die Teilnehmenden unserer aktuellen Studie „Elternkompetenz & Arbeit“, an der sich mittlerweile 323 erwerbstätige Eltern beteiligt haben. Mehr als drei von vier Eltern gaben in der Befragung an, durch ihre Kinder besondere Fähigkeiten zur Alltagsbewältigung zu entwickeln bzw. weiterzuentwickeln.
Um die These der Selbstwirksamkeit von Eltern abzusichern, befragten wir diese Eltern zusätzlich, inwiefern sie sich von ihren erworbenen Elternkompetenzen Vorteile für ihren Arbeitsbereich erwarten. Das Ergebnis bestätigt unsere Hypothese: Knapp 70 Prozent der Eltern ohne Führungsaufgaben (N=120) gaben an, mit ihren (weiter-)entwickelten Elternkompetenzen auch bessere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sein zu können. 74 Prozent der teilnehmenden Personen mit Führungsverantwortung gaben an, ihre Elternkompetenzen auch als Führungskraft gut nutzen zu können und durch ihre Elternkompetenzen zu einer besseren Führungskraft zu werden.
Resilienz junger Eltern steigt
Doch macht sich das nun auch in einer größeren Resilienz bemerkbar? Hierzu befragten wir die teilnehmenden Eltern nach ihrer psychischen Widerstandskraft und wollten wissen, inwiefern sich diese geändert hat, seit sie Eltern geworden sind. Die Ergebnisse zeigen, dass, je mehr Eltern wahrnehmen, durch ihre Elternrolle neue Kompetenzen erlernt oder bestehende Kompetenzen weiterentwickelt zu haben, desto
- stärker verfolgen sie einmal aufgestellte Pläne,
- mehr mögen sie sich selbst,
- entschlossener sind sie,
- häufiger finden sie Dinge, über die sie lachen können,
- mehr Selbstdisziplin zeigen sie,
- mehr Tätigkeiten können sie gleichzeitig bewältigen.
Auf den Punkt gebracht: Erwerbstätige Eltern, die ihre (weiter-) entwickelten Elternkompetenzen wahrnehmen und benennen können, empfinden sich als resilienter. So weit – so gut!
Aber helfen den teilnehmenden Eltern ihre weiterentwickelten oder neu erlernten Kompetenzen auch am Arbeitsplatz? Die Ergebnisse unserer Studie belegen, dass circa 50 Prozent dieses gesundheitsrelevanten Kompetenzgewinns beim Betreten der Arbeitsstätte zusammenbrechen. Denn lediglich 20 Prozent der erwerbstätigen Eltern glauben, dass ihre Führungskraft ihre berufsrelevanten Elternkompetenzen kennt. Proaktiv hat mit 14 Prozent der teilnehmenden Eltern ein noch geringerer Prozentsatz ihre (weiter-)entwickelten Kompetenzen bei ihrer Führungskraft angesprochen. Das heißt, ein Großteil dieser Kompetenzen bleibt im betrieblichen Kontext unerkannt und damit auch ungenutzt.
Negative Stereotype und Präsenzkultur wirken negativ
Wie lässt sich das erklären? Was hindert Eltern daran, ihre Elternrolle als Ressource auch im Arbeitskontext sichtbar zu machen? Und weshalb erkennen viele Unternehmen die Lernprozesse im „Kompetenzcenter Familie“ nicht? Eine Rolle spielen dabei sicherlich die oben angesprochenen negativen Stereotype und Annahmen über berufstätige Eltern. Auch die starke Präsenzkultur in deutschen Unternehmen und das Gleichsetzen von Leistung mit Anwesenheit, gepaart mit einem häufigen Fokus auf kurzfristigen Ergebnissen, wird einen Einfluss darauf haben, ob berufstätige Eltern am Arbeitsplatz über ihre Lernerfahrungen sprechen oder nicht. Nicht zuletzt fehlen häufig positive Rollenmodelle (wie Führungskräfte). Zugleich sind sich auch Eltern nicht immer der beruflichen Relevanz ihrer (weiter-) entwickelten Kompetenzen bewusst oder haben Schwierigkeiten, diese beim Namen zu nennen oder sogar mit Alltagsbeispielen stichhaltig zu begründen.
Wir forschen hierzu weiter und möchten verstehen, weshalb 50 Prozent der gesundheitsrelevanten Kompetenzen im Arbeitskontext nicht wirksam werden. Kennen Sie hierzu weitere Gründe oder ist es bei Ihnen ganz anders? Dann freuen wir uns, wenn Sie Ihr Wissen mit uns auf http://kompetenzexpert.de/studie2 teilen.