Hätten Sie es gewusst? Bei dem Begriff Resilienz handelt es sich um eine Metapher. Er stammt, wie der Begriff Stress, ursprünglich aus der Physik und bezeichnet die Fähigkeit eines Werkstoffs, sich verformen zu lassen und anschließend wieder in die ursprüngliche Form zurückzufinden.
In der Psychologie bezeichnet Resilienz die innere Widerstandsfähigkeit, die Menschen hilft, Phasen hoher Belastung und Krisen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen. Hye-Jung Chung, Arbeitspsychologin bei der ias-Gruppe, erklärt: „Man kann Resilienz sogar noch umfassender sehen. Es geht nicht nur darum, nach Krisen zur alten Form zurückzufinden, sondern auch darum, an schwierigen Situationen zu wachsen und sich weiterzuentwickeln.“
Das Konzept der Resilienz wird immer bekannter, denn die Krisen der vergangenen Jahre haben den allgemeinen Blick dafür geschärft, wie unterschiedlich Menschen mit Belastungen umgehen. Somit wird der Wunsch nach der Fähigkeit, gesund durch Krisen zu kommen, immer größer.
Unvorhergesehenes einplanen
„Jeder und jede Einzelne wurde in den vergangenen Jahren immer mehr und immer wieder mit Unvorhersehbarem konfrontiert. Das hat gezeigt, dass es nicht reicht, Menschen auf spezifische Herausforderungen vorzubereiten“, sagt Hye-Jung Chung. Die Resilienz müsse gefördert werden, um Unvorhergesehenes abzufedern. Resilienz als universelle Kernkompetenz zu stärken könne sich positiv auf alle Lebensbereiche auswirken.
Eine scharfe Trennung zwischen Privatleben und Arbeitswelt gibt es aus Sicht der Psychologin längst nicht mehr, denn in der modernen Arbeitswelt werden die Anforderungen immer vielfältiger. Von den Beschäftigten wird immer mehr Flexibilität verlangt. Es gibt viele neu zu erlernende Systeme oder Arbeitsweisen. Das bedeutet für die einzelnen oft, sich außerhalb der eigenen Komfortzone zu bewegen. Resilienz fördern heißt, sich Handlungs- und Gestaltungsspielräume bewusst zu machen.
„Viele fragen uns, was der Unterschied zum Thema Stressmanagement ist”, sagt Hye-Jung Chung und fährt fort: „Während es beim Stressmanagementtraining vornehmlich darum geht zu verstehen, wie Stress entsteht, woran man ihn erkennt und wie damit umgegangen werden kann – wir also ,gestresste Menschen‘ als Untersuchungsobjekt haben –, ist der Blickwinkel beim Resilienztraining ein anderer. Wir blicken darauf, welche grundsätzlichen Fähigkeiten und Haltungen bei besonders widerstandsfähigen Menschen beobachtet werden konnten und wie diese ausgebaut werden können.“
Viele Faktoren beeinflussen Resilienz
Resilienz setzt sich aus verschiedenen Faktoren zusammen, die in der Psyche zusammenspielen. Diese reichen von Lösungsorientierung über Akzeptanz bis hin zu Optimismus und können bei unterschiedlichen Menschen verschieden stark ausgeprägt sein. Einer dieser Faktoren ist Selbstwirksamkeit, also ein gesundes und angemessenes Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten und die Überzeugung, aus eigener Kraft etwas bewirken zu können.
„Menschen mit hoher Selbstwirksamkeit gehen mit neuen, komplexen Projekten anders um. Sie setzen sich anspruchsvolle Ziele, sind motiviert und können ihre Möglichkeiten gut einschätzen. Das kann ganz praktisch bedeuten, dass sie sich überlegen, was sie selbst umsetzen können und was sie an andere abgeben möchten”, erklärt Chung.
Besonders spannend im Arbeitskontext sei Resilienztraining mit Blick auf Teams, denn auch wenn Unternehmen die individuelle Resilienz durch entsprechende Angebote fördern, seien viele resiliente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch lange kein resilientes Team. Die Kompetenzen können auf unterschiedliche Teammitglieder verteilt sein. Auch deshalb lohnt es sich, auf Konzepte zu setzen, die Austausch und Kontinuität fördern.
Kontinuität ist der Schlüssel
„Aus der Forschung wissen wir, dass Resilienz in jungen Jahren entsteht, sich aber auch später trainieren und entwickeln lässt”, erklärt die Psychologin. Resilienz ist keine stabile Größe, die Immunität und Unverwundbarkeit gegenüber negativen Lebensereignissen und Krisen garantiert. „Die eigene Widerstandskraft kann man wie eine Art Muskel betrachten, den man regelmäßig stärken kann.“ Dabei betont Chung, dass das Konzept nicht so zu verstehen sei, dass sich Menschen immer mehr selbst optimieren müssen. „Resilienz ist vielmehr das Immunsystem unserer Seele. Wir können sie trainieren, um unsere Stärken und Ressourcen besser zugänglich zu machen und zu pflegen.“
Didaktisch empfiehlt Chung daher Blended Learning, das verschiedene Lernansätze verbindet. Ein Mix aus Wissensvermittlung, Erinnerung, Übungen, dem Austausch mit Kolleginnen und Fachexperten und der Erarbeitung von Handlungsstrategien vereint verschiedene Aspekte des Lernens, um gute Transfermöglichkeiten in den Alltag zu bieten. Dabei spielen auch Führungskräfte eine Schlüsselrolle. Sie können als Vorbilder die Kompetenzen vorleben. Um Resilienz zu fördern, ist wie beim Muskeltraining kontinuierliches Üben der Schlüssel. „Es ist wichtig, die Resilienzfaktoren präsent zu halten und die Lerninhalte immer wieder zu aktivieren“, so Chung.
Simona Honerbach, Unternehmenskommunikation, ias-Gruppe