„Wertschätzung finde ich ein sehr wichtiges Thema. Es kann Unternehmen einen echten Wettbewerbsvorteil verschaffen“, ist Philipp Martin überzeugt. Er ist einer von drei Geschäftsführern des jungen Unternehmens Reachbird, das Softwarelösungen und Marketingdienstleistungen im Bereich Influencer-Marketing konzipiert. Seit der Gründung vor fünf Jahren hat Martin Wert darauf gelegt, dass sich seine Mitarbeiter – insgesamt leitet er ein Team von 25 Angestellten – wohlfühlen. „Aus Employer-Branding-Sicht ist es wichtig, dass Mitarbeiter bei uns zufrieden sind, mit dem Chef, aber auch mit der Kultur“, stellt er fest. Zufriedene Mitarbeiter arbeiteten nicht nur effizienter, sondern transportierten die gute Stimmung auch nach außen. Das helfe, um neue Talente für das Unternehmen zu begeistern. Denn: „Den Großteil der neu eingestellten Mitarbeiter gewinnen wir dadurch, dass sie Kontakte zu bestehenden oder bisherigen Angestellten haben.“
Wertschätzung in Alltag integrieren
Um Wertschätzung fest in den Alltag zu integrieren, hat Martin vor rund anderthalb Jahren das Tool Applaudio eingeführt. Über dieses Tool kann jeder Mitarbeiter an Kollegen oder Vorgesetzte zwei sogenannte Bravos pro Monat vergeben. Bravo meint dabei einen Dank, ein Lob oder eine verbale Anerkennung für eine besondere Leistung oder einen Erfolg.
Seither hat Martin schon einige Bravos gelesen, denn alles, was Mitarbeiter in das Tool schreiben, geht über seinen Schreibtisch. „Du hast immer alles im Blick und bist gut drauf“, „Du lässt dich nicht aus der Ruhe bringen“ oder „Du hast mich schon 1.000-mal gerettet“ – so beispielsweise lauteten in den vergangenen Monaten Anerkennungen, die sich seine Mitarbeiter gegenseitig geschickt haben.
Martin fasst zusammen: „Das Lob fällt unterschiedlich aus. Mal ist es seriös, mal freundschaftlich; mal ist es länger, mal kürzer formuliert.“ Die Rückmeldung kann sich auf ein konkretes Thema, aber auch auf allgemeines Verhalten oder Eigenschaften des gelobten Kollegen beziehen. Vorgaben dazu gibt es keine.
Allerdings muss jedes Bravo in einer von sieben Kategorien vergeben werden, je nachdem, ob der Kollege in der Rolle als Kundenkönig, interner Teamplayer, Event-Planner, Firmenbotschafter, Mentor oder Problemlöser agiert hat oder einem Kollegen in Not geholfen hat. All das sind wertvolle Leistungen für ein Unternehmen, die anerkannt und wertgeschätzt werden können.
Anfängliche Skepsis verflogen
Martin erinnert sich noch genau, dass er anfangs – als er zum ersten Mal von dem Tool gehört hat – skeptisch gewesen sei. „Ich habe befürchtet, dass einige Mitarbeiter viele Bravos erhalten werden, andere dagegen keine.“ Seine Furcht war, dass das die Stimmung im Unternehmen verderben könnte. Dies habe sich aber nicht bestätigt. Im Gegenteil: Anderthalb Jahre nach Einführung des Tools ist Martin davon begeistert: „Ich erlebe immer wieder eine Kettenreaktion: Wenn ein Mitarbeiter ein Bravo erhält, denkt er darüber nach, wem er eines senden kann.“ Somit erhielten immer mehr Mitarbeiter Anerkennungen; im Laufe der Zeit werde jeder bedacht.
Noch eine wichtige Erkenntnis hat Martin gewonnen: Zumeist sprechen sich eben nicht die Mitarbeiter gegenseitig Lob aus, die ohnehin eng zusammenarbeiten. Vielmehr danken sich Kollegen, die im Arbeitsalltag kaum Kontakt haben. Denn wenn sie dann mit einem solchen Mitarbeiter in einem Projekt zusammengearbeitet haben, kann es sein, dass sie das im Nachhinein schätzen und in der Firma öffentlich machen.
In das Wertschätzungstool sind alle Mitarbeiter – einschließlich den Geschäftsführern – eingeschlossen. Die Bravos kann jeder im Unternehmen jedem geben – es funktioniert also in alle Richtungen. „Wenn ich operativ mit einem Mitarbeiter zusammenarbeite, gebe ich ihm anschließend im Tool Applaudio eine Rückmeldung“, erklärt Martin. In seiner Rolle als Führungsperson habe er natürlich auch andere Möglichkeiten, Mitarbeiter wertzuschätzen, beispielsweise, indem er Prämien für Vertriebsmitarbeiter auslobe oder finanzielle Anreize zur Erreichung von Zielen setze.
Tool auch als Stimmungsbarometer
Für Martin hat sich die Einführung des Tools gelohnt. Seitdem er es eingeführt hat, hat sich laut Einschätzung des Geschäftsführers die Stimmung im Unternehmen verbessert. „Das Tool gibt eine andere Art der wechselseitigen Wertschätzung.“ Bisher haben alle Mitarbeiter positiv auf das Tool reagiert, keiner hat es negativ bewertet oder fühlt sich dadurch unter Druck gesetzt.
Gerade seit Beginn der Corona-Pandemie bemerkt Martin, dass seine Angestellten das Tool vermehrt nutzen und die Zahl der Bravos nach oben schnellt. „Wenn wir uns im Unternehmen treffen, können wir uns im Büro am Schreibtisch oder in der Kaffeeküche austauschen und den anderen wertschätzen. Oder wir laden einen Kollegen auf ein Feierabendbierchen ein“, schmunzelt er. Da das alles infolge der Corona-Pandemie und der Lockdowns zeitweise nicht möglich ist, sei es nach seiner Ansicht umso wichtiger, virtuell in Kontakt zu bleiben.
Das Tool nutzt der CEO aber nicht nur, um Motivation und Leistung im Unternehmen zu steigern. Er kann die Informationen aus dem Tool auch zur Bewertung der gesamten Situation im Unternehmen nutzen und auf Basis der Auswertungen die Stimmung analysieren.
Martin empfiehlt jedem Unternehmen, Wert auf eine freundliche Unternehmenskultur zu legen. „Jedes Unternehmen sollte ein solches Tool ausprobieren und schauen, was sich im Unternehmen bewegt.“ Aus seiner Sicht könnten kleine ebenso wie mittelständische oder große Unternehmen davon profitieren, unabhängig von ihrer Branche oder ihrem Alter. „Wer allerdings weniger als 25 Mitarbeiter hat, kann Wertschätzung auch anders etablieren“, räumt er ein.
Nach seinen Erfahrungen geht er davon aus, dass das Tool vor allem in jungen Unternehmen oder auch in Start-ups schnell angenommen werden wird. Viele Mitarbeiter seien heutzutage ohnehin auf sozialen Plattformen unterwegs und es gewohnt, „gefällt mir“ anzuklicken.