Klar ist: Die digitale Transformation macht vor keinem Unternehmen, vor keiner Organisation und vor keiner HR-Abteilung halt. Das hohe Tempo, in dem technologische Innovationen entstehen und sich Geschäftsmodelle ändern, hat den digitalen Fortschritt in den vergangenen Jahren rasant vorangetrieben. Nicht zuletzt hat die Covid-19-Pandemie seit dem Frühjahr 2020 den digitalen Fortschritt beschleunigt und Unternehmen gezwungen, sich technisch neu auszurichten. Insgesamt sind die Fortschritte, die Firmen weltweit beim Aufbau der notwendigen digitalen Kompetenzen und der erforderlichen Führungsfähigkeiten in den vergangenen beiden Jahren erzielt haben, bemerkenswert: Die Mehrheit der Unternehmen beurteilt den Reifegrad ihrer digitalen Kompetenzen deutlich besser als noch im Jahr 2018: 60 Prozent geben an, dass sie die digitalen Fähigkeiten haben, 62 Prozent, dass sie die Führungskompetenzen haben, damit der Change gelingen kann. Zwei Jahre zuvor lag der Anteil in beiden Bereichen erst bei jeweils 36 Prozent.
Diese Ergebnisse hat das Capgemini Research Institute in seiner Studie „Digital Mastery 2020: How organizations have progressed in their digital transformations over the past two Years“ veröffentlicht. Für die Untersuchung hat das Institut weltweit etwa 1.000 Führungskräfte aus Großunternehmen unterschiedlicher Branchen befragt. Die Studienteilnehmer hatten einen Jahresumsatz von mindestens einer Milliarde US-Dollar.
Die Unternehmen schätzten, unabhängig von ihrer Branche, allesamt den Reifegrad ihrer Digital-und Führungskompetenzen höher ein als im Jahr 2018. Augenfällig dabei: Firmen, die bereits vor zwei Jahren bei den digitalen Kompetenzen und Führungsfähigkeiten führend waren, konnten den Vorsprung zu ihren Wettbewerbern ausbauen.
Einzelhandel, Telekommunikations- und Autobranche führend
Fortschritte bei der Digitalisierung können alle Branchen vorweisen. Sowohl bei den digitalen Fähigkeiten als auch beim Aufbau der erforderlichen Führungsqualitäten haben Organisationen in den vergangenen beiden Jahren nachgebessert. Ein Blick auf die verschiedenen Sektoren zeigt jedoch, dass Einzelhandels- und Telekommunikationsunternehmen sowie die Automobilindustrie die größten Fortschritte verzeichneten.
- Fast drei Viertel (73 Prozent) der befragten Einzelhandelsunternehmen gaben an, über die für die Transformation erforderlichen digitalen Fähigkeiten zu verfügen. Zwei Jahre zuvor attestierten das gerade einmal halb so viele Einzelhändler (37 Prozent). Die Zahlen belegen, dass viele Händler auf die steigende Onlinenachfrage von Konsumenten reagiert haben und ihr E-Commerce-Angebot ausgebaut haben.
- Auch in der Telekommunikationsbranche ist viel passiert: Organisationen bieten ihren Kunden mittlerweile umfassende digitale Erlebnisse. Rund sieben von zehn Unternehmen dieser Branche (71 Prozent gegenüber 38 Prozent im Jahr 2018) sind somit mittlerweile gut gerüstet für den digitalen Change.
- Den größten Zuwachs bei den digitalen Fähigkeiten verzeichnet der Automobilsektor: War vor zwei Jahren gerade einmal ein Drittel der Unternehmen (32 Prozent) gut auf die Digitalisierung vorbereitet, sind es nun 69 Prozent. Hier haben Investitionen in Bereiche wie autonomes Fahren und Elektrifizierung Innovationen beschleunigt und die Digitalisierung vorangetrieben.
Große Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 10 Milliarden US-Dollar punkten bei digitalen Fähigkeiten und bei digitalen Führungsqualitäten gegenüber kleineren Firmen. Zwei Drittel von ihnen (68 Prozent) geben an, dass sie über die erforderlichen digitalen Fähigkeiten verfügen. Bei Unternehmen mit einem Jahresumsatz unter 10 Milliarden US-Dollar fällt der Anteil mit 55 Prozent deutlich niedriger aus. Zudem sagen nur 57 Prozent dieser Unternehmen, dass sie die erforderlichen Führungskompetenzen hätten. Damit liegen sie unter dem Gesamtdurchschnitt von 62 Prozent und dem Anteil von 70 Prozent bei den großen Unternehmen.
Zwei Hürden auf dem Weg zur digitalen Organisation
Im Jahr 2020 haben sich die Unternehmen – verglichen mit 2018 – mehr Zeit genommen, um herauszufinden, wodurch die Digitalisierung ausgebremst wird. Um Hürden zu beseitigen, haben sie auch verstärkt in neue Techniken und Tools investiert. Dabei legen sie den Fokus auf die Bereiche Talententwicklung und Unternehmenskultur. Zudem haben sie Maßnahmen realisiert, um die Customer-Experience zu verbessern. Purpose, also den Unternehmenszweck, und Nachhaltigkeit haben viele Unternehmen hingegen, so die Studie, noch nicht in ihre Transformationsstrategien integriert, auch wenn das für künftigen Erfolg entscheidend sein kann.
Prinzipiell hemmen demnach vor allem zwei Faktoren die weitere Digitalisierung in Unternehmen: Zum einen gelingt es mehr als einem Drittel der Unternehmen (37 Prozent) nicht, ihre Mitarbeiter in digitale Initiativen einzubinden. Vor zwei Jahren lag dieser Anteil mit 74 Prozent noch deutlich höher. In den Aufbau von Soft Skills wie emotionale Intelligenz, Anpassungsfähigkeit und digitale Kollaboration investiert bislang nicht einmal die Hälfte der Unternehmen (48 Prozent). Zum anderen behindert oftmals die Unternehmenskultur den digitalen Fortschritt. Unternehmen fördern zu wenig Initiativen von Mitarbeitern und das Ausprobieren neuer Methoden. Dabei würde das letztendlich die Digitalisierung positiv beeinflussen.
Investitionen in Nachhaltigkeit
Die Studie macht zudem deutlich, dass Unternehmen zwar Faktoren wie Customer-Experience, Geschäftsabläufe und -prozesse sowie die technologische Entwicklung im Auge behalten sollten. Dennoch sollten sie sich auch auf Nachhaltigkeit und Unternehmenszweck fokussieren. Diese Themen haben für Kunden ebenso wie für Mitarbeiter eine hohe Relevanz: Verbraucher interessieren sich zunehmend für den „ökologischen Fußabdruck“ von Unternehmen und wünschen sich mehrheitlich (78 Prozent), dass Unternehmen Verantwortung für die Gesellschaft übernehmen. Letzteres wünschen sich auch Mitarbeiter. Zudem sollten Betriebe aus ihrer Sicht die Vorteile einer flexiblen – digitalen – Belegschaft anerkennen und Flexibilität zulassen.
Purpose und Nachhaltigkeit könnten Unternehmen als Kernelemente in ihre Strategie verankern. Gemäß der Studie engagieren sich derzeit nur 45 Prozent der Unternehmen in Projekten rund um Nachhaltigkeit. Empfehlenswert wäre, Technologien künftig immer unter zwei Aspekten zu beurteilen, unter dem des digitalen Nutzens und dem der Nachhaltigkeit.