Etwa ein Drittel der deutschen Arbeitnehmer fühlt sich in der aktuellen Krise nicht ausreichend emotional und mental von ihren Arbeitgebern unterstützt. Das ist eines der Ergebnisse des Randstad Arbeitsbarometers, das im zweiten Halbjahr 2020 die Auswirkungen der Pandemie auf die Gesundheit von Arbeitnehmern in den Blick genommen hat. Das Ergebnis ist erschreckend, denn die psychische Gesundheit ist für die Arbeitsfähigkeit genauso ausschlaggebend wie die körperliche: Laut BKK Gesundheitsreport 2020 geht jeder sechste Fehltag in Betrieben auf eine psychische Störung zurück. Die ständigen Änderungen der Umstände und die vielfältigen neuen Herausforderungen der gegenwärtigen Situation bedeuten für unsere Psyche Dauerstress.
Dessen sollten sich Führungskräfte und Personalverantwortliche bewusst sein und dagegensteuern. Denn die Erfahrung zeigt: Gemeinsam lässt sich die Belastung leichter tragen. „Entsprechend ist es wichtig, dass sich Arbeitnehmer auf ihre Kollegen verlassen können und das Arbeitsumfeld eine Konstante bietet“, weiß Daniela Poost aus dem Team HR bei d.vinci. Doch wie schaffen, erhalten und verbessern Teams und Führungskräfte den Zusammenhalt auf Distanz?
Transparenz als Grundlage
Neben den sozialen Einschränkungen und der Sorge um die eigene Gesundheit führt die Pandemie bei vielen Menschen zu wirtschaftlichen Sorgen. Um Mitarbeitern die Angst vor Kurzarbeit sowie vor den wirtschaftlichen Entwicklungen zu nehmen, ist Transparenz das A und O. „Informieren Sie Ihre Mitarbeiter über die finanzielle Situation und wichtige Businessentscheidungen“, rät Carl Hoffmann, Gründer und CEO von Talentry. Wichtig sei, dass Mitarbeiter verstünden, was die Unternehmensführung plant und warum. Alles andere schüre Unsicherheit und Ängste – und biete im schlimmsten Fall einen Nährboden für Spekulationen. „Wenn sich die ganze Mannschaft mitgenommen fühlt und an einem Strang zieht, dann gelingt es ihr, in vorübergehend stürmischer See nicht zu kentern“, resümiert Hoffmann.
Offene Tür, offenes Ohr
Um das gegenseitige Vertrauen im Team zu bewahren, sollte es auch im Home-Office weiterhin möglich sein, Probleme und Herausforderungen sowohl bei Kollegen als auch bei Führungskräften offen anzusprechen. Anders als im Büro bekommen die Kollegen zu Hause nicht mit, wenn sich jemand ärgert. Ohne eine offene, vertrauensvolle Gesprächskultur besteht dann die Gefahr, dass diese Unzufriedenheit eskaliert. Um dem vorzubeugen, ist es sinnvoll, im Team festzulegen, welcher Kommunikationskanal für welchen Zweck verwendet wird. Probleme lassen sich dabei am leichtesten in Telefonaten oder Videokonferenzen klären. Da der beiläufige zwischenmenschliche Austausch fehlt, ist es sinnvoll, dass Führungskräfte regelmäßig ein Stimmungsbild einholen. „Fragen Sie Ihre Mitarbeiter, wie es ihnen geht, und nehmen Sie sich Zeit, zuzuhören, was sie beschäftigt“, empfiehlt Karin Brust, B2B-Marketing- und Project-Manager bei hokify. Neben dem direkten Austausch lassen sich auch Stimmungsbarometer generieren. Diese sind hilfreich, um die Arbeits-und Kommunikationsprozesse im Home-Office zu verbessern und die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhöhen.
Zeit für das Wir
Im Home-Office fallen Bürogespräche am Schreibtisch des Kollegen oder an der Kaffeemaschine weg. Zudem verleitet Remote-Work dazu, sich allein auf Aufgaben zu fokussieren und den sozialen Austausch hintenan zu stellen. „Für einen guten Zusammenhalt braucht es täglich Nähe und ein Wir-Gefühl“, weiß Alexandra Alex, Gründerin von MatchManao. Um dies jeden Tag zu erzeugen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. So bieten sich zum Beispiel Daily Stand-up-Meetings an, um alle über den aktuellen Stand von Projekten zu informieren. „Zusätzlich sprechen wir in unserem Stand-up auch darüber, wie es uns wirklich geht. Ebenfalls ist hier Platz, um über Probleme, Unstimmigkeiten und Bedürfnisse zu sprechen“, ergänzt Alex.
In größeren Abständen helfen entspannte Get-togethers zum Tagesbeginn oder kurz vor dem Feierabend, das Team zu stärken. Ein Spieleabend oder ein gemeinsames Feierabendgetränk sind auch als Videokonferenzen möglich. „Wir haben unser monatliches gemeinsames Frühstück in den virtuellen Raum verlegt. So starten wir gemeinsam gemütlich in den Tag und tauschen uns gleichzeitig über den aktuellen Stand aus“, berichtet Brust.
Alltägliche Büroplaudereien lassen sich auch durch spezielle Chatkanäle ersetzen. „In unserem Random-Channel auf Slack tauschen wir uns zu Filmen aus oder schicken uns Bilder“, erzählt Julia Schmid, Marketing Managerin bei GOhiring. Slack bietet zudem die Möglichkeit, Mitarbeiter zufällig miteinander für ein virtuelles Mittagessen oder einen Kaffee zu verbinden. „Auf diese Weise fördern wir den Austausch im Unternehmen, vor allem zwischen Kollegen, die sich im Arbeitsalltag nicht so häufig begegnen“, sagt Katharina Beck, Lead Global Alliances bei Firstbird. Alternativ lassen sich zum Beispiel mit Hilfe der Discord-Voice-Channel virtuelle Büros einrichten. In diesen Chaträumen können die Kollegen kurz vorbeikommen und sich austauschen. „Dadurch, dass der Voice-Channel immer besteht, ist die Hemmschwelle, beim Kollegen für einen virtuellen Plausch anzuklopfen, niedriger als beispielsweise die bei einem Telefonat“, berichtet Alexandra Alex aus Erfahrung.
Fokus auf das Positive
Das menschliche Gehirn erinnert sich leichter an schlechte Erfahrungen als an gute. Um dem in Krisenzeiten entgegenzuwirken, hilft es, sich auf positive Aspekte zu fokussieren und Erfolge – im Kleinen wie im Großen – gemeinsam zu feiern. „Besondere Erfolge feiern wir sofort in einem Onlinemeeting“, so Katharina Beck. Die gemeinsame Freude über das Geschaffte stärke den Zusammenhalt und motiviere das Team. Alternativ dazu können auch gesonderte Chatkanäle genutzt werden.
Ebenfalls sollten die guten Leistungen in den Fokus gerückt werden. Dies kann in Meetings oder virtuellen Räumen geschehen. „In unserem wöchentlichen Check-out berichtet jeder, worauf er in der Woche stolz war und was ihm Energie gegeben oder genommen hat. Das schafft einen guten Abschluss für jeden Einzelnen und das Team“, so Alexandra Alex. Zusätzlich habe jeder Mitarbeiter die Chance, eine „warme Dusche“ zu verteilen, das heißt, einem Kollegen für die Unterstützung oder Zusammenarbeit zu danken. Das hebt nicht nur die Laune, sondern verbessert auch den Zusammenhalt und bestärkt Teammitglieder, sich auch künftig gegenseitig zu unterstützen.
Gemeinsamen Weg finden
Um das Wir-Gefühl auch auf Distanz zu erhalten, gibt es kein Patentrezept. Teams sollten verschiedene Möglichkeiten ausprobieren und im Anschluss evaluieren, was für sie funktioniert. Ähnlich wie die Bürokultur entsteht auch eine Home-Office-Kultur mit der Zeit und durch die Beteiligten.