Ob Zigarettenhersteller, Rüstungskonzern oder emissionsträchtiger Energieerzeuger: Nicht jedes Unternehmen hat den Vorteil, von einem moralisch oder unter Umweltgesichtspunkten verhältnismäßig sauberen Produkt zu leben, beziehungsweise mit einer entsprechend unbedenklichen Dienstleistung sein Geld zu verdienen. Arbeitgebern, die diese Realität im Recruiting nicht genügend transparent berücksichtigen, fällt es von Jahr zu Jahr schwerer, neue Talente und Führungskräfte zu finden – ein Faktum, das in manchen Branchen durch die anwachsende Klima- und Ethikdiskussion zusätzlich verstärkt wurde.
Ein weiteres Problem: Wo neue Executives gewonnen werden können, springen diese nicht selten wieder ab, wenn es eingangs an Offenheit fehlt – etwa dann, wenn sie in aller Vollständigkeit die unter Umständen umstrittenen Aspekte realisieren, die mit der Produktpalette oder mit den Dienstleistungen des Unternehmens verbunden sind. Oft erkennen neue Führungskräfte von sich aus erst nach einiger Zeit, welche Umweltbelastungen etwa mit den Produkten der Firma einhergehen oder wie viele ungeklärte Risiken für spätere Generationen bewusst in Kauf genommen werden. Woanders kommt der große Schock, wenn klar wird, dass die vermeintlich harmlosen Hightechlösungen auch für Dual Use verwendet werden. Als ebenso kritisch können sich Rohstoffe erweisen, die das Unternehmen verarbeitet, deren Gewinnung aber die Umwelt verschmutzt.
Volle Transparenz von Anfang an
Vor diesem Hintergrund sind erfahrene HR-Abteilungen oder externe, für diese Realität sensibilisierte Personalberater unerlässlich. In der Regel ist nur so gewährleistet, dass Interessenten für eine Führungsposition von Anfang an und vollständig über die Tragweite informiert werden, die mit ihrer Entscheidung für ein bestimmtes Unternehmen verbunden ist – insbesondere über die zugehörigen moralischen und ethischen Implikationen. Transparenz muss auch über mögliche Folgen herrschen, etwa angesichts eines Störfalls oder eines kritischen Berichts in den Medien, aufgrund dessen man als Führungskraft unter Umständen massiv unter Beschuss steht. Anderswo sind etwaige Konsequenzen subtiler, jedoch nicht minder fordernd – etwa dann, wenn sich die neue Tätigkeit im Bekanntenkreis oder in der Nachbarschaft herumspricht.
Moralische Klarheit herstellen
Wie sich immer wieder zeigt, tun sich entsprechende Firmen oft schwer gegenüber Bewerbern, von Anfang an die Wahrheit transparent zu kommunizieren. Viele Unternehmen aus kontroversen Branchen oder mit strittigen Produkten machen den Fehler, nur ungenügend über die negativen Aspekte des eigenen Tuns zu informieren. Damit unterbleibt jedoch die enorm wichtige Möglichkeit für Kandidaten, die angebotene Position mit den eigenen Werten ausreichend abzugleichen. Umso größer ist die Gefahr eines späteren Wertekonflikts, der für die Führungskraft so untragbar ist, dass diese die Firma verlässt.
Verstärkend kommt in dieser Situation oft der Schock hinzu, vom Arbeitgeber in gewisser Weise im Dunkeln gelassen zu werden. Umso wichtiger sind vor diesem Hintergrund HR-Experten, die von Anfang an den Mut zur nötigen Offenheit haben und sämtliche kritischen Aspekte der Branche und des Unternehmens sowie der Aufgabe aktiv ansprechen. Ebenso müssen sie sich darauf verstehen, mit Kandidaten in diesem Zusammenhang intensiv Fragen und Haltungen zu Themen wie Ethik, Moral oder Umwelt zu reflektieren. Bewerber, die sich damit noch wenig auseinandergesetzt haben, sind hier im eigenen Interesse aus der Reserve zu locken, um moralische Klarheit herzustellen.
Besondere Expertise gefordert
Schon vor den ersten Bewerbungsgesprächen sind Personalberater in diesem Zusammenhang stark gefordert. Sie müssen im Vorfeld zu jedem Auftrag ausreichend über die damit verbundenen kritischen Aspekte reflektieren und auf dieser Basis einen klaren Standpunkt entwickeln. Nur wer als Ergebnis eines solchen Prozesses innerlich kongruent ist – was auch zur Ablehnung eines Mandats führen darf –, strahlt gegenüber Bewerbern die nötige Klarheit aus, die es bei beratungsintensiven Positionen umso mehr braucht.
Darüber hinaus vermittelt erst ein solch eigener Reflexionsprozess über Branche und Unternehmen das nötige Bewusstsein darüber, worauf es beim Werteabgleich im konkreten Fall ankommt und welche Fragen gegenüber Kandidaten eingesetzt werden müssen. Im Vorfeld ist zudem Ehrlichkeit gegenüber dem auftraggebenden Unternehmen wichtig. Ist von vorneherein klar, dass eine Position aufgrund des Firmen- oder Branchenimages schwer zu besetzen sein wird, muss dies deutlich kommuniziert werden.
Klares Wertegerüst als Grundlage
Wird ein externes Beratungsunternehmen beauftragt, sollte dieses eine hohe Affinität für die Auseinandersetzung mit dem Thema Werte besitzen. Das kann zum Beispiel in Form einer ebenso markanten wie authentischen Positionierung auf Basis der unternehmensspezifischen Werte geschehen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Je mehr Parameter im Vorfeld klar und deutlich definiert sind – dazu gehören neben dem klassischen Aufgaben- und Anforderungsprofil für die jeweilige Stelle auch die soften moralischen Parameter –, desto weniger Fehler gibt es später bei der Besetzung der Stelle. Und je besser das Wertegerüst eines Unternehmens mit dem eines Bewerbers und eines gegebenenfalls in den Besetzungsprozess involvierten Personalberaters zusammenpasst, desto erfolgversprechender und nachhaltiger ist auch in diesem Kontext die Zusammenarbeit im Interesse einer schnellen Stellenbesetzung für das auftraggebende Unternehmen.<