Ein Personaler ohne Kontakte? Das ist wie ein Teamleiter ohne Team. Oder wie der Chef eines Ein-Mann-Unternehmens. Bis vor kurzem war es für Personaler völlig undenkbar, ihren Job allein im Homeoffice zu verrichten. Schließlich gehört es zu den Kernaufgaben eines jeden HRlers, mit und für Menschen zu arbeiten. Ein Schulterklopfer hier, ein Lächeln da. Ein vertrauliches Gespräch unter vier Augen, aber nicht im Cyberspace, sondern in der guten, alten realen Welt, in einem weitläufigen Konferenzzimmer gar. Wo neben Stimme, Kleidung und Aussehen auch anderes existiert: ein nervöses Wippen mit dem Fuß oder die Verbundenheit eines Handschlags.
Alles war mit einem Mal zu Ende, als im Frühjahr 2020 die Corona-Krise in Deutschland ausbrach. Bedingt durch die Pandemie, fanden sich HR-Profis von einem Tag auf den anderen in einer neuen Realität wieder. Keine direkten Gespräche mehr. Keine spontanen Treffen mit Kollegen im Büroflur. Die Arbeit fand nun ausschließlich digital zu Hause statt – eine Herausforderung für das Human Resource Management. „Die ersten Tage im Homeoffice waren geprägt von vielen Fragen und Unsicherheiten“, sagt Tanja Gluding rückblickend.
Homeoffice bietet Raum für Ruhe und Konzentration
Die HR-Managerin der CELLS Group hatte bereits vor Corona immer mal wieder im Homeoffice gearbeitet und damit gute Erfahrungen gemacht. Allerdings – und das weiß Gluding aus jahrelanger Erfahrung – eignet sich Remote Work nicht für alle Aufgabenfelder, die im Personalwesen anfallen. Das Homeoffice sei vor allem immer dann hilfreich gewesen, so die HR-Expertin, „wenn es wichtig war, Aufgaben zu erledigen, die viel Konzentration und Ruhe erfordern, wie zum Beispiel neue Konzepte auszuarbeiten“. Ruhe und Konzentration – positive Faktoren, von denen es in der Tat mehr im stillen Zuhause gibt als im dauerrauschenden Büro.
Die Stille, das ist auch für Laura Nagelschmidt der große Vorteil des Homeoffice. Nagelschmidt ist HR-Officer bei Troy Chemie in Hannover. Auch für sie ist Heimarbeit gerade dann unschlagbar, wenn es um Aufgaben geht, bei denen sie sich über einen längeren Zeitraum hinweg konzentrieren und fokussieren muss. „Prozessbeschreibungen oder Recherchen zu bestimmten Themen“, so die Personalerin, lassen sich am heimischen Schreibtisch besser bewältigen.
Während viele Mitarbeiter bei Ausbruch der Corona-Krise recht plötzlich ins Homeoffice wechseln mussten, war man bei Troy Chemie gut auf dieses Szenario vorbereitet. „Wir wussten, dass wir irgendwann in den nächsten Wochen im Homeoffice arbeiten werden“, erinnert sich Nagelschmidt. „Die Frage war, ab wann. So haben wir in der Personalabteilung auf Bitte unseres Vorgesetzten jeden Abend den Laptop mit nach Hause genommen, falls wir am nächsten Tag nicht mehr ins Büro hätten kommen können.“
Ähnlich reibungslos empfand Tanja Gluding den Wechsel auf Remote Work in ihrem Berliner Unternehmen: „Wir haben uns darauf vorbereiten können. Zum einen haben wir unsere Mitarbeiter mit der notwendigen IT-Ausstattung versorgt, und zum anderen haben wir versucht, ausreichend die Krisenstrategie des Unternehmens zu kommunizieren.“ Angesprochen auf die größte Herausforderung im Homeoffice, sagt Gluding: „In der Rolle als HR muss man entsprechend mit der eigenen Unsicherheit umgehen sowie den Mitarbeitern möglichst viel Klarheit und Stabilität bieten. Das war die größte Herausforderung.“
Schattenseiten von Remote Work
Für Torsten Meyering, Teamleiter Human Resources bei virtual minds in Freiburg, war Corona Fluch und Segen. „Ich war begeistert von der Flexibilität und Kreativität unserer Teams. Innerhalb kürzester Zeit wurden etwa Gaming Server eines unserer Tochterunternehmen dafür umgerüstet, ein virtuelles Büro mit Videochaträumen einzurichten.“ Es gab aber auch Schattenseiten: „Unser klassischer Onboarding-Prozess konnte nicht wie gewohnt stattfinden. Einige neue Mitarbeiter konnten nicht nach Deutschland einreisen und arbeiten bisher aus ihren Heimatländern. Das erschwert natürlich eine schnelle und reibungslose Integration neuer Kollegen, die ihr Team zunächst nur virtuell kennenlernen können.“
HR ist klassischerweise das Bindeglied zwischen Belegschaft und Führungsebene. Neben wirtschaftlichem Knowhow braucht es da ein Gespür für den Umgang mit Firmenpolitik, mit Befindlichkeiten, den Wünschen, Ängsten und persönlichen Krisen von Mitarbeitern. Mit anderen Worten: Es geht um Psychologie, und diese wiederum erfordert die unmittelbare, ungefilterte Kommunikation.
Gute Personalarbeit erfordert direkten Austausch
„Human Resource Management ist im Grunde Beziehungsmanagement“, sagt Gluding. „Und gute Personalarbeit geht nur im direkten Austausch mit den Mitarbeitern. Der Austausch kann natürlich über eine gewisse Zeit auch digital erfolgen, aber im Grunde erfährt man mehr über aktuelle Stimmungen und Probleme, wenn man physisch anwesend und als Ansprechpartner auch mal spontan zwischen Tür und Angel verfügbar ist. Im Homeoffice kann man gut neue Konzepte ausarbeiten und operative Routinearbeiten erledigen. Ich bezweifle aber, dass ein gutes HR-Management nur aus dem Homeoffice heraus funktioniert.“
Laura Nagelschmidt kommt zu einem ähnlichen Schluss: „Oft ist es einfacher, zu einem Kollegen ins Büro zu gehen und Dinge durchzusprechen. So lassen sich Missverständnisse oft auch vermeiden.“ Anders dagegen in den eigenen vier Wänden: „Im Homeoffice setze ich mich montags an den Schreibtisch und spreche mit niemandem, bis das erste Meeting des Tages ansteht.“ Die Absprache mit Kollegen sowie Telefonate mit Externen seien in der Homeofficezeit definitiv schwieriger.
Für HR ist Homeoffice zwar keine dauerhafte Lösung. Doch was die restliche Belegschaft betrifft, so hat sich gezeigt, dass Remote Work nicht zu einem Einbruch an Produktivität führt, wie von vielen Unternehmen befürchtet. Laut Tanja Gluding hätten die Mitarbeiter die Arbeitsleistung im Homeoffice in gleichem Maße erbracht wie im Büro. Das Ganze lief sogar so gut, dass das Unternehmen nun neue Wege gehen möchte. „Wir arbeiten aktuell eine Mobile Office Policy aus und möchten unseren Mitarbeitern dadurch mehr Freiheit geben. Das Vertrauen in die eigene Motivation, Verantwortung, Disziplin und Selbstorganisation unserer Mitarbeiter ist gestiegen. Die Sichtweise hat sich durch die Krise verändert.“ Die „Zwangsdigitalisierung“ war laut Gluding „der letzte Schubs“, um zu erkennen, dass Homeoffice gut funktioniere.
Doch selbst wenn das Vertrauen in die Mitarbeiter nun steigt, ist Homeoffice in manchen Branchen nicht ohne Weiteres umsetzbar. So etwa bei Troy Chemie. „Wir haben Labore und Produktionsstandorte. Die verschiedenen Abteilungen arbeiten eng zusammen. Nur online zusammen zu arbeiten funktioniert auf Dauer nicht“, sagt Laura Nagelschmidt.
Fazit
In allen drei Fällen konnten die HR-Abteilungen, aber auch die Unternehmen insgesamt, ihre Belegschaft schnell und einigermaßen friktionsfrei ins Homeoffice „auslagern“. Manche Bereiche, wie etwa das Onboarding, funktionieren aus dem Homeoffice naturgemäß suboptimal – Personaler möchten den neuen Mitarbeitern direkt in die Augen schauen. Dennoch hat die Corona-Krise mit einem Vorurteil aufgeräumt: dass Mitarbeiter im Homeoffice unproduktiver sind. Wo Remote Work möglich ist, wird die Arbeit erledigt. Ob nun Zuhause oder im Büro.